The Rattles, 1965
Produzent/ Herbert Hildebrandt
Label/ Polskie Nagrania Muza
Die Songs der Rattles entpuppten sich zunächst als Imitationen englischer Beat-Besessenheit, doch hatten sie genug subversives Potential, um die Elterngeneration nachhaltig zu verstören. Die war zuvor schon mit Ted Herolds zornigem Bekenntnis „Ich bin ein Mann“ peinlich berührt und empfand die „Teenager-Melodien“ von Peter Kraus und Conny Froboess als Bedrohung des abendländischen Kulturerbes.
Dabei hatte auch Achim Reichel, Sohn eines Schiffstewards, zunächst einen soliden Beruf wählen sollen: „Ich habe Kellner gelernt. Meine Mutter meinte, Kellner das ist toll! Da hast du immer eine weisse Weste an, und es gibt viel Trinkgeld.“ Doch 1960 entschloss er, mit seinem Freund Herbert Hildebrandt, der gerade eine Kfz-Mechaniker-Lehre absolviert hatte, eine Band zu gründen.
Reichel war in den Fünfzigern nachhaltig durch die Rock’n’Roll-Sendungen von Militärstationen wie BFN und AFN infiziert worden. Hildebrandt hingegen konnte Mikrofonständer zusammenschweissen. Mit alten Kofferverstärkern aus dem Pfandhaus, dem zweiten Gitarristen Volker Reinhold und Dieter Sadlowsky hinter der „Schiessbude“ waren die Rattles komplett.
Schon vor ihrem Dauerengagement im Star-Club in Hamburg hatte Hajo Kreutzfeld von Volker Reinhold die Schepper-Gitarre übernommen. Im Herbst 1963 gastierten die Rattles als erste deutsche Band zusammen mit den Animals im Liverpooler Cavern-Club. Der geschäftstüchtige Star-Club Betreiber Manfred Weissleder hatte inzwischen seine Hausband verschiedenen Plattenfirmen vorgestellt, und Philips veröffentlichte 1963 die erste Single „Mashed Patatoes“. Englische Texte wie „Zip-A-Dee-Doo-Dah“ konnten in den Coverversionen der Rattles zunächst nur „phonetisch“ nachempfunden werden. Auch erste Coverversionen wie „La La La“ oder „Come On And Sing“ frappierten nicht gerade durch ihre englischen Sprachfinessen.
Nach den ersten Veröffentlichungen auf dem hauseigenen Label Star-Club-Records übernahm Hermann Rugenstein die zweite Gitarre. Die Rattles, durch die langen Nächte ihrer Reeperbahn-Gigs gestählt, machten Mitte der Sechziger „Ochsentouren“ durch die deutschen Städte und symbolisierten für viele Heranwachsende die frühen Rock-Tugenden „Ehrlichkeit“, „Einfachheit“ und „schweisstreibendes Handwerk“.
Ein Beitrag für das Projekt „Mutmaßungen über das Deutschsein“ von Graugans
Hey! Alte bekannte: Das Coverfoto zeigt die polnischen Lizenz-LP, die auch ich mal ne Weile lang besaß und die allein in der DDR vermutlich millionenfach in Umlauf war. Hat Achim dafür je Tantiemen gesehn?
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Keine Ahnung, ob Achim Reichel für die polnische Lizenz-LP Geld bekommen hat! Von den Rattles gibt es mittlerweile mehrere zweitklassige Neueinspielungen, auf denen er er wohl auch nicht zu hören ist. Wer noch die Originale im Ohr hat, sollte sich diese Enttäuschung ersparen.
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Na ich glaube der Umsatz von dem Geschepper wird sich in Grenzen halten. Wir hörten „Smashed Potatoe“ & Co um 1978 auch nur, weil da eben der Stammvater von Wonderland dabei war. „MOSCOW“ war ja einer der absoluten Kult-Songs in der DDR mit lauter hineingeheimsten Messages. Weil in den 60ern , als Moscow aktuell war, praktisch keiner hier englisch konnte und all die Hippies der ersten Stunde, also die großen Brüder den kleinen diese Märchen eintrichterten, obwohl diese dann längst englisch in der Schule hatten.
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Von den Rattles habe ich erst Anfang der 70er Jahre wieder etwas gehört mit einer Neuaufnahme ihres eigenen Stücks „The Witch“ aus dem Jahre 1965. In dieser psychedelisch angehauchten Neufassung ist Edna Bejarano die Sängerin, während auf der Urfassung noch Achim Reichel sang. In der Besetzung mit Edna Bejarano kamen noch zwei weitere Singles zustande, danach war Schluss.
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In DER Besetzung mit Sängerin sah ich sie mal in der“Aktuellen Schaubude“ als frühe Form eines Musikvideos, alle mit langen Mähnen im Straßenkreuzer fahren. Kurze Zeit später kamen die Berichte über die Mansonfamilie (mit Bildern) bei uns in die Presse, weil da wohl der Prozess losging – da glaubte ich fest, dass eine von der Mansonfamilie die Sängerin von „The Witch“ gewesen sein muss.
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„The Witch“ wurde ja damals als recht hart bezeichnet und die Sängerin sah auch aus wie eine Hexe, aber mit der Geschichte von Charles Manson und seiner Family hat der Song nichts zu tun; dafür stand bereits „Helter Skelter“ von den Beatles Pate.
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Love Achim Reichel’s solo albums. Great use of echo and delay, a la John Martyn.
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I like Achim Reichel’s solo albums too, especially „Ungeschminkt“ and „Blues in Blond“ remain masterpieces. Achim has set the lyrics by (at that time) young poets into music. The lyric of „Riversidedrive Drive“ was written by Jörg Fauser, an author who was influenced by the American beat generation. Fauser died in 1987 when a truck hit him while walking on a motorway near Munich.
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How did I miss this? Thanks for sharing it.
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The „Beatles“ from Germany. What else can you say about that? The quality of the recordings is according to the time, but worth listening to.
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Yes, I really enjoyed that.
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Die Rattles habe ich nie live gesehen, aber zu ihrer Zeit waren sie die große Nummer in Deutschland. Weil bei uns aber die Lords spielten, waren die natürlich meine Helden. Achim Reichel hat aber die spannendere musikalische Reise angetreten und die Musik in Deutschland sicher mitgeprägt.
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Ja, die Rattles wurden damals als die Nr.1 Band der Beat Musik in Deutschland bezeichnet. Zwar haben auch die Lords ein paar gute, unvergessliche Songs („Poor Boy“, Shakin All Over“) gemacht. Aber das wars dann auch fast schon. Mir jedenfalls kam es so vor, als hätte die Band mangels Einfällen Cover-Versionen spielen müssen.
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