Miles Davis, Bitches Brew, 1970

Produzent/ Teo Macero

Label/ Columbia Records

Miles Davis war ein unkonventioneller Musiker. Er hatte den Jazz bereits mehrmals neu erfunden, als er mit 43 Jahren zu seiner wohl innovativsten Schaffensphase ansetzte. Für den Trompeter standen neben künstlerischen Ambitionen damals auch geschäftliche Interessen im Vordergrund. Während er sich für kleine Gagen in winzigen Clubs abmühte, begeisterten junge Rockbands Tausende Menschen bei bestens bezahlten Stadionkonzerten: Jimi Hendrix, Carlos Santana und Sly Stone waren nur einige von vielen Musikern, die harmonische und rhythmische Konzepte von Davis übernommen hatten. Nun wollte der Meister sich auch ein Stück von diesem Kuchen abschneiden.

Insgesamt 12 Musiker (darunter Wayne Shorter, Chick Corea und John McLaughlin, Joe Zawinul und Billy Cobham) holte Davis Ende August 1969 zu sich in die Studios der New Yorker Plattenfirma Columbia. Das 1970 erschienene Doppelalbum „Bitches Brew“, das bei diesen Sessions entstand, gilt als Geburtsstunde des sogenannten Jazzrock. Die freien Improvisationen von Davis‘ Grossformation mit multiplen Keyboardern, Perkussionisten und Bassisten tönen wie ein musikalischer Höllenritt. Weil auf „Bitches Brew“ jeder Musiker zugleich ein Solist ist, drohen die losen Soundstrukturen immer wieder auseinanderzubrechen. Schon das Eröffnungsstück „Pharaoh’s Dance“ hat eine brodelnde Intensität, die bis zum sanft versöhnlichen Finale „Sanctuary“ nicht abebbt.

„Bitches Brew“ war für Miles Davis der Höhepunkt seiner Karriere. Immerhin hatte sich das Album 500.000 Mal verkauft. Gerne berichtete Davis, dass ihm das Konzept aus weniger Jazz und mehr Rock den Durchbruch bei der Hippie-Generation brachte; gerne berichtete er aber auch von Aktien und sechsstelligen Einnahmen oder von seinem Lamborghini.

36 Kommentare zu „

    1. Miles Davis hat zu Lebzeiten mehr als 40 Alben veröffentlicht. Darunter solche Klassiker wie „Kind Of Blue“ und „Sketches Of Spain. „Bitches Brew“ dürfte wegen seiner rhythmischen Vielschichtigkeit auch weniger jazz­interessierten Hörer bekannt sein.

  1. Wohingegen dieses Album nicht der leichteste Einstieg in den Jazzrock ist, kann wohl in der Tat kein Zweifel daran bestehen, dass diese Musik bahnbrechend war. Dafuer trugen auch die hochkaraetigen Musiker Sorge, die Miles Davis hier zusammengebracht hatte.

    1. Die „wichtigen“ Alben sind ja nicht immer gleichzusetzen mit den „besten“ Alben. In diesem Fall muss ich aber sagen, dass „Bitches Brew“ geradezu bezwingende Qualitäten hat. Das ist ein einzigartig aufgeladener, in sich geschlossener Musikkosmos. An allen Ecken und Enden pulsiert es. Davis entwickelt hier eben auch durch die Besetzung einen höchst fesselnden Gesamtsound, der seinesgleichen sucht.

  2. Joe Zawinul. Einer der wenigen österreichischen Musikanten, der es auch in Übersee geschafft hat. Dafür hat er ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof und in Erdberg, einem Grätzel in Wien, wo er aufgewachsen ist, gibt es den Joe-Zawinul-Park.
    (Ist zwar ein bisschen off topic, aber oft schweige ich staunend über Dein Wissen, so dass ich kaum mit meinen kümmerlichen Kenntnissen dazu beitragen kann.)

    1. Danke für Deine Information. Was ich weiss, ist ja auch nicht alles, so habe ich z. B. nicht gewusst, dass der Joe Zawinul auf dem dem Wiener Zentralfriedhof begraben ist.

      Die meisten Stücke auf „Bitches Brew“ dauern ungewohnt lange und statt durch Songstrukturen sind sie durch freie Improvisationen geprägt. Auf das 20minütige „Pharao´s Dance“ mit Joe Zawinul muss man sich schon einlassen, nichts für einfach so oder nebenbei.

      1. …extrem ssssssssexy … empfinde ich das (ich spreche aber jetzt nur vom obigen Musikstück, das ganze Album kenne ich ja nicht), es kriecht mir genau dort hin …
        wo … 😎

    1. I just saw, that you already did something about „Bitches Brew“. The album was for sure important for the development of rock and jazz, even if some people think it’s overrated.

      The cover of „Bitches Brew“ like the one of „Abraxas“ is from Mati Klarwein. Both of them helped certainly for the commercial success of the albums.

      1. I had nothing to go on when I grabbed this album so I wasn’t influenced by much but the music. It made an impact.
        Did you get into ‚Get Up With It‘? I like that one a lot also.

      2. I don’t listen Miles Davis so much anymore. I saw him once in Montreux in the 1980s. At that time he was already loney at the top. Manager music. „Get Up With It“ has some good recordings in connection with „Bitches Brew“. I also like „A Tribute to Jack Johnson“, very intense album from the jazz-rock phase.

      3. Jack Johnson was the first black boxing champion between 1908 and 1915. I never saw the movie, but Miles Davis‘ soundtrack is just one piece with a free-flowing, but constant rhythm. I like the soundtrack, it has a certain similarity to early Tony Williams Lifetime.

      4. Thanks, CB! Joyce Carol Oates wrote in her book „On Boxing“ about him: „How Johnson managed not to be lynched remains a mystery but he prevails now as myth“.

  3. Ich bin auf dem Dorf groß geworden. Gute Plattenläden mit reichhaltigem Angebot waren weit weg. Insofern hielt ich das Album erst einige Jahre später in den Händen.

    Das Album hatte damals eine gewisse Initialzündkraft für mich. Es hat bei mir fast den gesamten „Krautrock“ und viele Gruppen des progressiven Rock vom hohen Sockel gestossen.
    Miles Davis hat mir neue musikalische Horizonte eröffnet.
    Insofern habe ich danach auch meine alten Favouriten mit anderen Ohren gehört.

    1. Die erste Platte von Miles Davis war für mich „Bitches Brew“. Ich habe das Album gerne für mich alleine gehört, manchmal Stoned und mit Kopfhörer. Was mir an dem Album gefällt, ist der Rock-Background. Die langen, ausführlichen Soli erscheinen ja zunächst offen und frei, aber beim näheren Hinhören merkt man, dass alles organisiert ist.

      1986 habe ich Miles Davis live in Montreux erlebt. Damals war er bereits „state of the art“. Das Konzert mit Drumcomputern, Keyboards und einer Handvoll Begleitmusiker, bei dem Davis nur wenig Töne auf der Trompete spielte, hat mich nicht so richtig überzeugt.

      1. Genau, das waren die ersten Eindrücke. Die langen Soli. Alles klang für mich anfangs leicht „chaotisch“ – allerdings nur anfänglich, denn allmählich erschlossen sich nachvollziehbare Strukturen.

        Inzwischen mag ich besonders alte Aufnahmen von Miles Davis, z.B. Birth of the cool (1950) oder Sketches of Spain (1960)

  4. Great stuff. This year’s RSD release gives some great outtakes from the sessions too – been available on CD for years, but vinyl is king.

    The creativity of Miles and Teo Macero was incredible here, let alone all the incredible musicians playing on this. It’s just out of this world.

    1. „Bitches Brew“ is still the unsurpassed fusion-jazz album. Makes you feel like you are in a jungle. Yes, Teo Macero had an enormous influence. He created „Pharao’s Dance“ and the title track „Bitches Brew“ in their actual form in the studio, cut them together from the respective recordings.

      1. Thanks Bruce! I don’t have the four-disc box but I have the double album. And with the appropriate drugs, I can also gain something from this. And maybe, Sun Ra next. There’s just a lot of music out there.

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