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Bob Dylan, Slow Train Coming, 1979

Produzent/ Barry Beckett, Jerry Wexler

Label/ Columbia Records

Dylans Zeit von 1979 – 1981, die sogenannte „christliche Phase“, gilt für viele seiner Fans als dunkle Epoche. Bob schien damals mitten auf der Crossroad zu stehen. Er sprach öffentlich über seine Beziehung zu Jesus, verkündete in Songs wie „Gotta Serve Somebody“, dass man sich zwischen Gott und dem Teufel zu entscheiden hätte. So was symbolisch zu deuten, das schien zu viel verlangt für seine Anhänger; für sie klang es wie ein Hohn, und sie beschimpften ihn als „Fundamentalisten“. Ihr Gott war Dylan, und jetzt verkündete dieser höchstpersönlich, dass er demütig zu einem noch höheren Gott aufschaue? Und dann war es ausgerechnet dieser Mark Knopfler, der Dylan beistand auf seinem Gospel-Album „Slow Train Coming“. Knopfler war damals für eingefleischte Dylan-Fans wie ein rotes Tuch. Was in aller Welt konnte ein Dylan ausgerechnet an diesem „Weichspüler Knopfler“ gut finden?

Aber im Grunde genommen standen sich beide Künstler von Anfang an nahe. Beide sind leidenschaftliche Geschichtenerzähler. Dylan brachte Knopfler damals auf auf seinen Weg als Sänger – man höre sich nur mal die ersten Dire Straits-Alben an. Und Dylan konnte nicht anders als Knopflers Gitarren-Kunst zu bewundern – weil er selbst nie schaffte die Saiten zu sprechen zu bringen. Natürlich gibt es da ein paar Gegensätze; während Knopfler inzwischen völlig entspannt und „bescheiden“ Folk spielt, hämmert Dylan immer noch kratzbürstig los und dekonstruiert seine Songs. Aber im Grunde ihres Wesens sind sie sich ähnlich, sie spielen im Alter bloss verschiedene Facetten aus. So ein Kontrast kann doch nur spannend sein! Oder würden Sie beispielsweise behaupten, dass zwei gute alte Freunde sich nicht mehr vertragen dürfen, nur weil der eine Rentner vielleicht unrasiert in Jeans daher kommt – und der andere seinen nostalgischen Hang zu gepflegten Klamotten nicht aufzugeben bereit ist?

29 Kommentare zu „

    1. Das Album bekommt durch die Gitarre von Mark Knopfler einen warmen, fetten Sound. Und wen die religiösen Texte langweilen oder nerven, der kann sie auch einfach überhören.

    1. „Slow Train Coming“ is masterful recorded album with a slightly funky feel in it, but probably not the album I would recommend to someone who wants to know the music of Bob Dylan.

  1. Dylan gehört für mich zu dem Künstlern, die vor sich selber warnen, indem sie sich nicht definieren lassen. Ich war schon deshalb nie Teil seiner Fangemeinde, weil meine Englischkenntnisse für seine Texte zu dürftig sind. Dennoch halte ich ihn für einen ganz großen Künstler, der den Nobelpreis völlig zurecht bekommen hat.

    1. Es stimmt schon, dass Dylan zu dem Künstlern gehört, die vor sich selber warnen, indem sie sich nicht definieren lassen. Dieses Deutungsschema ist ziemlich stabil in der Ablehnung der jeweiligen Folgeproduktionen. Hatte z.B. „Slow Train Coming“ mit Mark Knopfler noch einen gewissen Hipness-Faktor, der über allzu Religiöses in den Texten hinwegsehen half, war das folgende Album „Saved“ dann schon explizit biblisch-evangelisch. Das Cover mit dem stilisierten Finger Gottes und den Händen der Rettungsbedürftigen fand ich einfach geschmacklos.

  2. Nun – das Album fand ich tatsächlich enttäuschend nach der auch schon arg gerügten „Street legal“, die mir aber gefällt. Die „shot of love“ bekam aber noch mehr Rezensenten-Dresche – und die ist weit besser als ihr Ruf.

    1. „Slow Train Coming“ ist ein weithin unterschätztes Album – egal, ob man nun religiös ist oder nicht. Nicht alles muss einem gefallen, aber ein paar der Songs haben eine eigene, eindringliche Kraft. Mir gefällt z.B. das zauberhafte „I Believe In You“, das in Dylans Original ein Gebet ist, in Cat Powers Coverversion aber eine Liebeserklärung: https://www.youtube.com/watch?v=INsC59eabmw

  3. I always liked it. I was too young at the time of release to fully appreciate it. Religious or not a good track is a good track.

    1. I see it that way too, Max. Most of the time, people only mention Dylan’s conversion to Christianity when it comes to „Slow Train Coming“. But the album is musically simply unique. The accompaniment by Dire Straits guitarist Mark Knopfler give the typical Dylan songs something special. I always enjoy listening to the record.

  4. Offengestanden ist mir dieses Album in erster Linie ein Begriff wegen des Covers. Basierend auf Hineinhoeren in die ersten paar Stuecke gefaellt mir die Sache musikalisch wirklich gut.

    Knopfler ist ein prima Gitarrist, der den Sound bereichert. Der Gospelchorgesang kingt ebenfalls ertse Sahne.

    Was die Texte anbelangt, gebe ich Dir vollkommen recht. Wem das religioese Geschwaetz nicht zusagt, kann es einfach ignorieren. Oder wen es halt dermassen stoert, soll sich eben ein anderes Dylanalbum anhoeren. Hier gibt es ja wahrlich genuegned Auswahl!

    1. Musikalisch ist „Slow Train Coming“ natürlich brillant; geprägt von Mark Knopflers geschmeidig, weichem Gitarrensound und dem Muscle-Shoals-Sound mit seinen funkbetonten Bläserarrangements. Produziert wurden die Songs von Jerry Wexler, der mit grossen Soul-Alben von Wilson Pickett und Aretha Franklin legendär geworden war.

  5. I really like Dylan’s Christian spell… he really made some great music. This is one of my favourite Dylan LPs (as is Shot of Love!).

    1. Thanks, J. Dylan’s christian phase may be controversial, but „Slow Train Coming“ won me over musically with the blues and soul sound from the muscle-shoals studio. I never was much into „Saved“ and „Shot Of Love“. Both albums have a lot of gospel. The next Dylan album with good songs was for me „Infidels“, even if some them are on the border of over-instrumentation.

      1. Saved is the weakest of the three, but there are still good songs on there (I reckon). Infidels is a very good album – I get what you mean about bordering on over-instrumentation at times, but the songs are strong.

      2. There is a continuous line from „Slow Train Coming“ to „Shot Of Love“. Even if I don’t always like the gospel phase, there are a few impressive songs like „Every Grain Of Sand“. Hope we have a chance to talk about „Infidels“ together later.

  6. Das Wunderbare an Dylan ist: Man kann so herrlich über ihn reden, streiten, diskutieren. Gibt es einen anderen Musiker, der so streitbar sein Ding machte und immer noch macht?
    Dieses Album – wie seine gesamte christliche Phase – wird man in den Kontext seines „Lebenswerkes“ stellen und dort wird es seinen Platz finden. Später mal, wenn Dylan mal nicht mehr ist und wir alle ihn vermissen werden.
    Für mich ein Album, was ich, je nach Stimmung und Laune, immer mal wieder gerne höre (und mich dann nicht so sehr mit den Texten beschäftige).
    Liebe Grüße,
    Werner

    1. Danke, Werner! „How many roads…“ – Bob Dylan ist auf vielen Strassen unterwegs gewesen, und immer noch unterwegs. Daher ist es nur verständlich, dass ihn dieses Verlangen nach Selbstverwirklichung auf die Suche nach dem Heiligen, zur Religion und, wie es scheint, über jede partikulare Religion hinausgeführt hat. Deswegen gehört für mich auch ein Album wie „Slow Train Coming“ mit dominant christlichen Themen zu seinem Lebenswerk.

    1. Yep, it was Barry Beckett and the Muscle Shoals Horns, both key elements of the celebrated Muscle Shoals Sound, but also the guitar of Mark Knopfler and the quality of Jerry Wexler’s production.

      1. The album has been underrated because of its Christian theme, but with „Slow Train“, Dylan hadn’t yet reached his goal, his „Never Ending Tour“ is a proof for that ; on the road since end of the 80s.

      2. Well, CB, „Slow Train Coming“ could be the third album from the Dire Straits in the style of the first two. That Mark and Bob were good together they proved again on „Infidels“. Next week I’ll be with my wife in the south. Maybe there is some time to read „One Flew Over The Cuckoo’s Nest“ again.

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