
Bob Dylan, Desire, 1976
Produzent/ Don DeVito
Label/ Columbia Records
Keiner von uns weiss, wie lange diese Pandemie noch dauern wird. Wie sehr sie Beziehungen belasten und Arbeitsplätze vernichten wird. Und überhaupt: Was für andere Sorgen dahinter lasten, die das Virus verdrängt hat. Die unumkehrbare Umweltverschmutzung zum Beispiel. Der unaufhaltsame Klimawandel. Überbevölkerung, Unterernährung, Wasserknappheit. Man darf gar nicht an alles denken, was uns noch droht. Umso wichtiger ist, neben Liebe und Arbeit, eine Auseinandersetzung mit der Kultur. Kultur ist ein Ausdruck davon, wer wir sind und wie wir sein können. Ein Roman über das Leben in einer verseuchten Stadt. Ein Film als Erinnerung an ein Stück Geschichte. Ein Song über ein Unrecht, aus dem heraus Recht gesprochen wird.
Im Opener „Hurricane“ auf dem Album „Desire“ erzählt uns Bob Dylan die Geschichte des afroamerikanischen Boxers Rubin Carter, der von einer weissen Jury mit fadenscheiniger Begründung wegen Mordes verurteilt wurde. Und attackiert das immer noch latent rassistische Amerika. Wahre Kurzgeschichten sind auch „Isis“, „Joey“ und „Black Diamond Bay“; alle mit hervorragenden Lyrics, stimmig und rund bis zum Ende erzählt. Die musikalische Begleitung auf der Violine von Scarlet Rivera verleiht den Liedern mit ihrer Mischung aus Bluesfeeling und Zigeunerfiddel eine prägende Note. Des Weiteren ist auch Emmylou Harris als Begleitsängerin auf dem Album vertreten.
Sieben der neun Lieder auf „Desire“ schrieb Dylan zusammen mit dem Psychologen und Theaterdirektor Jacques Levy. Seine Mitarbeit gibt den Liedern eine theatralisch-dramatische Note. Und auch die Botschaft der Texte ist anders, direkter. Während die Texte bei „Blood On The Tracks“ (1975) nach innen gerichtet und persönlich wirken, werden auf „Desire“ die Einzelschicksale oft mit politischen und gesellschaftlichen Ebenen verknüpft. Und genau das macht das Album so stark. Ich denke, man muss „Desire“ mehrmals durchgehört haben, um die Platte zu verstehen.