
Taj Mahal & Ry Cooder, Get On Board, 2022
Produzent/ Terry Melcher
Label/ Nonesuch Records
Wie gesagt: Der grosse Vorteil der Amerikaner ist, dass sie einen riesigen Vorrat an traditionellen Musikformen haben. Auch die beiden Kollegen Ry Cooder und Taj Mahal beamen sich auf „Get On Board“ geradewegs in den schwarzen Blues der frühen 60er Jahre zurück, wo Musiker wie Mississippi John Hurt, Lightnin’ Hopkins, Muddy Waters und Sonny Terry und Brownie McGhee auf dem Programm standen. Man hört Cooders Steel Gitarre wimmern und jaulen, dann wiederum huschen seine Finger gewandt über das Griffbrett einer Mandoline. Taj Mahal hämmert derweil auf dem Klavier kräftige Barrelhouse-Akkorde. Oder er lässt seine Mundharmonika wimmern und keuchen. Eine Tragtasche voll unterschiedlicher Harmonika soll er zur Aufnahmesession mitgenommen haben, damit er zu jeder Tonart das passende Instrument hat. Der dritte im Bund ist Cooder-Filius Jochaim, der mit Trommeln, Maracas und einem kleinen Becken für rhythmische Erdung sorgt.
Sämtliche Titel auf „Get On Board“ wurden dem riesigen Repertoire von Sonny Terry und Brownie McGhee entnommen, wobei sich Blues, Folk und Gospel die Waage halten. Manch einer wird sich nun fragen, ob es denn wirklich nochmal so etwas braucht: Ein Album voller Stücke, die von schon lange toten Blues-Musikern stammen und nun von noch lebenden, aber doch auch schon in die Jahre gekommenen Blues-Musikern eingespielt werden. Die Antwort lautet klar: Ja! Im Blues ging es immer schon um das Tradieren, das Weitergeben von Geschichten, die sich um das Wesentliche drehen – um Freiheit, Gott, den Tod, die Liebe und den Whiskey. Geschichten leben davon, dass sie wieder und wieder, und immer aufs Neue erzählt werden. Und genau das machen Ry Cooder und Taj Mahal: Sie erzählen mit einer ungehobelten Robustheit und spielerische Lässigkeit, die durchaus zeitgemäss klingt.