
Joan Baez, Diamonds & Rust, 1974
Text/Musik/ Joan Baez
Produzent/ David Kershenbaum, Joan Baez
Label/ A&M
Beim New Yorker Folk Revial zu Beginn der 1960er Jahre waren sie ein Künstlerpaar, das sich gegenseitig ermutigte. Sie, die vor ihm berühmt war und ihn bekannt machte, indem sie ihn mit ihr auftreten liess, fühlte sich wie eine Mutter, zugleich wie eine mystische Schwester, sah ihn als „fragiles Sonntagskind“ in der von ihr gekauften Ausstattung – zusammen seien sie ein „lebendiger Mythos“ gewesen. Alles schien perfekt. Aber das war eben damals. Im Lied hat der Mythos bereits Rost angesetzt. Deswegen ist das Stück so gut, es ist die Darstellung einer grossen Liebe und zugleich ihr Abgesang. Der hohe Ton, den man von Baez kennt wird hier gleich beim Einstieg schon mit einem Fluch („I’ll be damned“) gebrochen. Der Gegensatz zwischen der wohlerzogenen, fast heilig wirkenden Joan und dem jungen Wilden Bob machte den Reiz des Paares aus. Aber während sie damals seine genialische, aufmüpfige Art und Inszenierung bewunderte, hat in ihrem Erinnerungslied diese Bewunderung einen Knick bekommen. Die Zuschreibungen für den jungen Dylan, der mit seiner Chuzpe zur Selbsterfindung in die New Yorker Szene einschlug, kaum angekommen und doch „already a legend“, sind zwischen freundlicher und beissender Ironie: „the unwashed phenomenon“, „the original vagabond“.
Man kann „Diamonds & Rust“ ohne weiteres als ein der grossen Balladen der 1970er bezeichnen. Für die Diamanten der Erinnerung, ebenso wie für den Rost, habe sie bereits bezahlt, heisst es am Schluss. Aber so traurig das Lied endet, war es im Leben doch noch nicht das Ende für Joan Baez und Bob Dylan. Wie in einer farcehaften Wiederholung ihrer Geschichte kamen sie auf seiner „Rolling Thunder“-Tournee noch einmal zusammen, zumindest auf der Bühne – und lebten dort sowie in dem dabei entstandenen Film „Renaldo and Clara“, noch einmal andere mythische Formen durch. Der Film wurde ein totaler Flop.
