The Blasters, The Blasters Collection, 1991

Produzent/ Jeff Eyrich, The Blasters

Label/ Slash Records

Der grosse Vorteil der Amerikaner ist, dass sie einen riesigen Vorrat an traditionellen Musikformen haben, die aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte als „folkloristisch“ gelten können, die aber durchgängig Einfluss auf die Pop-Musik haben und sich daher auch nicht altertümlich anhören. Es gab und gibt in den USA eine Unmenge von Bands, die sich dieser Form bedienen; die sich auf ein einfaches Gerüst von Stimme, Gitarren und straffen Rhythmen verlassen, oft jahrzehntelang zusammen sind, auftreten und Alben aufnehmen – die auch von der Musik leben und trotzdem dem Grossteil des Pop-Publikums nie bekannt werden. Die Musiker sind möglicherweise schon über 50 und seit 30 Jahren im Geschäft, aber das spielt keine Rolle. Sie werden niemals Rockstars, aber es gibt Leute, die ihre Alben kaufen und ihre Konzerte besuchen.

Entscheidend ist die Frage: ob ihre Musik neben der soliden Grundlage der Professionalität jene Qualität aufweist, die man gemeinhin als „Swing“ bezeichnet. Im Falle der Blasters ist die Anwort: Ja. Dieses vier Herren sind zweifellos Berufsmusiker und wissen, wie man die Gefahren des Hauruck-Rock umgeht und diese traditionellen Formen frisch klingen lässt. Ein Vergleich zu den Los Lobos liegt nahe: die Blasters bedienen sich einer ähnlichen Spannbreite an Stilen – vom Rhythm’n‘ Blues über Country bis Gospel. Atmosphärisch gibt es jedoch klare Unterschiede: Wo Los Lobos das Bild des trinkfesten Mexikaners verkörpern, bedienen sich die Blasters bei dem neurotisch-normalen Kleinstadt-Amerikaner. Ein grosser Teil dieses Eindrucks kommt von der immer etwas belegt wirkenden Stimme des Sängers und Gitarristen Phil Alvin, der sicher den Stil von Elvis Presley genaustens studiert hat. Auf „The Blasters Collection“ gibt es ein paar echte Perlen und gelungene Songs, selbst wenn sich die Band manchmal in die Nähe des gängigen Rambazamba-Rocks begibt, ist es auch nach vielen Jahren ein Vergnügen diese Platte zu hören.

Phil Alvin, Un „Sung Stories“, 1986

Produzent/ Phil Alvin

Label/ Slash Records

Er war der Blasters-Chef, er liebt die amerikanischen Traditionen und hat auf angenehme naturbelassene Art einen Haufen Standards der Gattungen Blues, Vaudeville, Jive, Swing eingespielt. Der Begriff Americana war 1986 noch nicht weit verbreitet, passt aber perfekt zu den Inhalten von „Un ‚Sung Stories'“. Phil schöpft das Repertoire aus seinen eigenen jugendlichen Lieblingskünstlern und -liedern und belebt einen frühen Bing Crosby-Hit, eine Gospel-Verkleidung von Elder Anderson Johnson und nicht weniger als vier Songs von Cab Calloway. Auf ein paar Lieder wird er von einigen ehemaligen Mitgliedern der Blasters begleitet, auf anderen von der Dirty Dozen Brass Band aus New Orleans. Am wichtigsten war vielleicht, dass er Sun Ra überredete, für ein paar Tage ins Studio zu kommen, um sein Arkestra in einer Session zu leiten, die drei der zehn Songs des Albums produzierte. Das Endprodukt ist belebend und überzeugend.

Dave & Phil Alvin, Common Ground: Dave & Phil Alvin Play And Sing The Songs Of Big Bill Broonzy, 2014

Produzent/ Dave Alvin

Label/ Yep Roc

Einst gründeten die Brüder The Blasters aber musikalische Meinungsverschiedenheiten führten 1986 dazu das man sich trennte. Aber eines verband sie immer, die Liebe zum Blues. So kam es dann, das sie 2014 zum ersten Mal wieder zusammen ein Album aufnahmen.

Gemeinsam hauchen sie auf „Common Ground: Dave Alvin & Phil Alvin Play And Sing The Songs Of Big Bill Broonzy“ zwölf Songs aus dem umfangreichen Repertoire des 1958 verstorbenen Blues-Klassikers Big Bill Broonzy neues Leben ein. Ihre Würdigung Broonzys vereint das Beste aus beiden Welten – die so unterschiedlich nicht sind. Schliesslich besteht sogar die angeheuerte Band aus Mitgliedern der Blasters und aus Dave Alvins Liveband. Das Resultat ist kein gut gemeintes Bluesalbum weisser Buben im fortgeschrittenen Alter, sondern schiebt im Geist des zusammen generierten Roots-Rock an, dass es Phils Gesicht wieder ordentlich in Falten legt, wie damals, 1981. Ein paar Songs wie „Stuff They Call Money“ singen die beiden im Duett, den Rest teilt man sich paritätisch. Dave ist der düstere Typ, Phil hat das sonnigere Gemüt.

In der Mischung ergibt das ein grossartiges Blues- und Rock’n’Roll-Album, ohne in die Nähe eines öden Bluesrock zu kommen. Gene Taylor klimpert sein bestes Juke-Joint-Piano, Phil drückt aufs Gas, Dave geht mit oder steht auf der Bremse. Das resultiert in einer Dynamik, die alle zwölf Titel belebt. Die Musik ist dreckig, luftig, sie besitzt jenes Gefühl, das so vielen ähnlichen Alben vollkommen abgeht.

„The blues had a baby and they named it rock and roll“: Yes, and then two more: The brothers Dave and Phil Alvin. Right, CB?

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Dave Alvin & Phil Alvin, Lost Time, 2015

Produzent/ Craig Parker Adams, Dave Alvin

Label/ Yep Roc Records

Der Titel des Albums klingt zärtlich bitter. Seit Dave Alvin die Blasters 1987 verliess, um eine Solokarriere einzuschlagen, fanden die kalifornischen Brüder nur noch selten zusammen. Nach dem gelungenen Reunion-Projekt „Common Ground“ (einer Hommage an Big Bill Broonzy) haben Phil und Dave tief gegraben, um weitere Blues- und R & B-Schätze zu heben und mit neuem Leben zu füllen.

„Lost Time“ ist ein Tribut an die Blues-Shouter der Fifties, die Rückseite des Covers ziert ein Foto von Big Joe Turner. Von ihm stammen vier der zwölf Songs. Die Alvins hatten viel Spass bei den Aufnahmen. Man höre sich nur einmal das dämonische „Mr. Kicks“ an oder die beschwingten Takte von Otis Rushs „Sit Down Baby“ oder „World’s In A Bad Condition“, eine Tampa-Red-Nummer, welche die Brüder schon als Teenager in ihren Bann zog. Im akustischen Gospel „If You See My Savior“ singen die Alvins gemeinsam. Meistens übernimmt das Phil. Er klingt vibrierend und teils, wie in James Browns „Please Please Please“, kraftvoller den je. Der frühere Blasters-Pianist Gene Taylor gastiert im zotigen „Rattlesnakin‘ Daddy“. Das ist ein frisch rockendes Bluesalbum mit einer Vielfalt von Stilen – vom Ragtime zum Jump-Blues, mit Abstechern nach Chicago, Texas und Piedmont.

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Dave Alvin, Eleven Eleven, 2011

Produzent/ Dave Alvin

Label/ Yep Roc

Unaufgeregter aber dennoch emotionaler Roots Rock, mit Gänsehautmomenten und trockenem Humor. Dave Alvin gelingt es mit jedem Song, ein Szenario im Kopf des Hörers entstehen zu lassen: Die einsame Landstrasse bei „Harlan County Line“, die verrauchte Atmosphäre im Backstage-Bereich eines Blues Clubs in „Johnny Ace Is Dead“, der Boxring in „Run Conejo Run“, die Farm in Kalifornien und die gesattelten Pferde in „Murietta’s Head“ usw. Keine billige Effekthascherei oder Geklimper auf der Gitarre, jeder einzelne Ton da wo er hingehört, und nicht mehr als für den jeweiligen Song gebraucht wird.

Meine Anspieltipps ausser „Harlan County Line“: „Run Conejo Run“, „Black Rose of Texas“ und „Johnny Ace is Dead“. Im letzten Song erzählt er die wahre Geschichte des Rhythm & Blues Sängers Johnny Ace, der im Alter von nur 25 Jahren auf Tour die glorreiche Idee hatte Russisches Roulette zu spielen, und somit seinem Leben ein rasches Ende setzte. Wie Alvin daraus einen Song schafft, zeigt seine ganze Klasse.

With thanks to cincinnatibabyhead … you name it!