John Lennon, Walls And Bridges, 1974

Produzent/ John Lennon

Label/ Capitol Records

„Walls And Bridges“ ist zwar nicht das, was ich einen Heuler nennen würde – dazu ist es einfach zu seriös und ernsthaft – aber dafür hat es mehr Substanz als die neuen Alben, die ich in letzter Zeit gehört habe. „Walls And Bridges“ ist ein Album, das ich in diesem Winter wiederentdeckt habe, eine „Stimmungsplatte“ in vielerlei Hinsicht. Nicht nur, weil so sanfte Songs wie „Nr. 9 Dream“ darauf sind, sondern auch wegen der harten Sachen wie „What You Got“ oder „Whatever Gets You Thru The Night“, wobei mich das letztere mit seinen schrägen Saxophonpassagen irgendwie an Junior Walker erinnert, auch gewisse Anklänge an Stevie Wonder oder Booker T. & The M.G.’s sind nicht zu überhören.

Es ist faszinierend, wie Lennon es geschafft hat, eine Bläsergruppe, die vielen Streichern und die Plastic Ono Nuclear Band auf allen Stücken so unter einen Hut zu bringen, dass ein Song, der funky sein soll, eben wirklich funky ist und nicht etwa überladen. Und dass die gleichermassen verträumten und melancholischen Lieder ebenso wie die verbitterten und gequälten eben wirklich verträumt oder melancholisch oder verbittert und gequält wirken, ohne jemals durch die doch recht vollgepackten Arrangements ins Kitschige und Süssliche abrutschen. Fred Ghurkin alias Dr. Winston O’Boogie alias John Lennon war halt einer der wenigen Leute im Showbiz, die sich redlich Mühe gegeben haben, sich selbst in ihrer Musik zu verwirklichen.

John Lennon, Double Fantasy, 1980

Produzent/ John Lennon, Jack Douglas

Label Geffen Records

In einem gewissen Alter (17 – 19) habe ich mich sehr für John Lennon interessiert. Er war ein Künstler, der seinen Weg ging, und ein Stück dieses Weges waren die Beatles. Aber dann ging er weiter. Seine musikalischen Verrücktheiten, seine Experimentierfreude imponierten mir wie seine Biographie. Als Musiker war er ganz Musiker, als Liebender war er ganz Liebender, als Vater war er ganz Vater. Die Floskel „Er wurde mitten aus dem Leben gerissen“ trifft in seinem Fall den Nagel auf den Kopf.

„Double Fantasy“ ist die letzte, von John Lennon, veröffentlichte Platte. Es gibt auf diesem Album gute Kompositionen und schlechte Arrangements, gelungene Texte und weniger gelungene Texte. Es gibt Zitate, Schnodderigkeiten, sowie die merkwürdigen Gesangskünste seiner Frau Yoko Ono. Ich habe es immer als unangebracht gehalten, wenn „Double Fantasy“ zum Vermächtnis stilisiert wurde. Es ist ein Album, das zeigt, wie gut es John Lennon ging, wie klug er es angestellt hat, nicht in eine mörderische Maschine hineinzugeraten, dass er nicht einen dieser Rock’n’Roll Tode gestorben ist.

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John Lennon, Working Class Hero, 1970

Text/Musik/ John Lennon

Produzenten/ John Lennon, Phil Spector

Label/ Apple

Das auffällig dylaneske „Working Class Hero“ ist voller Verachtung, Sarkasmus und Bitterheit; der schonungslose, spöttische Text wird zur folkig-rauh gespielten Gitarre halb gesprochen, halb gesungen. Als wäre der Song nicht schon heftig genug, unterstreicht Lennon seine Entfremdung von den biederen Publikumsanteilen mit zweimaliger Verwendung des Wortes „fucking“ ( so entlarvt er z. B. uns Hörer als „fucking peasants“, „verdammte Bauern“).

Viele Kritiker nahmen es John Lennon übel, dass er sich als ein Teil der Arbeiterklasse bezeichnete, schliesslich war er in einem guten Mittelstand Haushalt bei seiner Tante gross geworden. Daraufhin rechtfertigte sich Lennon, dass der Song sardonisch sein sollte und es habe nichts mit Sozialismus zu tun. Er erzählte, dass er selbst als er berühmt war Zeiten erlebte, in denen er sehr glücklich und Zeiten, in denen er sehr unglücklich war. Und genau darum geht es.

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John Lennon, Rock’n’Roll, 1975

Produzent/ Phil Spector, John Lennon

Label/ Apple Records

Back to the roots‘ hat John Lennon sich wohl gedacht, als er Mitte der 70er Jahre dieses Album mit Coverversionen von Klassikern aus seiner Jugendzeit einspielte. Und dass seine Stimme für Coverversionen rauer Rock’n’Roll-Nummern sehr gut geeignet ist, hat er ja auch schon bei den Beatles z.B. bei den erstklassigen Interpretationen von „Rock’n Roll Music“ oder „Twist And Shout“ bewiesen.

Trotzdem ist meiner Meinung nach das Album nur als ordentlich zu bezeichnen. John Lennon singt die meisten Songs zwar recht gut, aber auch mit angezogener Handbremse. Herausragend ist nur seine eigenwillige und fast magisch anmutende Version von Ben E. King’s-Klassiker „Stand By Me“. Sehr gut sind auch Gene Vincent’s „Be-Bop-A-Lula“, das die Beatles auch schon zu Hamburger Zeiten im Repertoire hatten, und Fats Domino’s „Ain’t That A Shame“. Durchschnittlich ist Bobby Freeman’s „Do You Wanna Dance?“, das man auch schon besser gehört hat und richtig dürftig ist Lloyd Price’s „Just Because“, das schon im Original nicht der grosse Brüller ist.

Eine Wiederentdeckung wert ist das etwas rumpelige „Rock’n’Roll“-Album aber alleweil, auch wenn sich Lennon und Spector während den Aufnahme-Sessions nicht gerade auf der Höhe ihres Lebens und ihres Schaffens befanden. Die Beiden sollen sich in den A&M Records Studios in Hollywood, aufgrund von exessivem Alkohol- und Drogenkonsum so schlecht benommen haben, dass sie hinausgeworfen wurden, unter anderen auch weil der grössenwahnsinnige Spector mit einer Knarre im Studio hantierte und sogar einmal schoss. Die weiteren Aufnahmen fanden dann in den Record-Plant West Studios in New York statt.