Jefferson Airplane, The Woodstock Experience, 2009

Produzent/ Wally Heider Studios

Label/ Sony Music

Ob Jefferson Airplane neben Stooges und MC5, neben Beatles und Byrds, neben Grateful Dead, Beach Boys oder Doors stehen ist im Prinzip wurscht, wenn man sich eingesteht dass die Electric Prunes, die Strawberry Alarm Clocks, die Earth Operas oder Hapshash and The Colored Coats oder was man sich so als Nuggets und Re-Issues abkratzt, zwar toll aber zurecht vergessen sind, während Jefferson Airplane auch heute zurecht noch für gute Musik stehen.

„Alright, friends, you have seen the heavy groups. Now you will see morning maniac music. Believe me, yeah. It’s a new dawn… Good Morning People!“ Diese Aussage von Grace Slick zu dem Auftritt der Band beim Woodstock-Festival hatte ich bis zu meinem neunzehnten Lebensjahr als Aufruf zum Umsturz der politischen Verhältnisse gedeutet, heute weiss ich, dass sich die Zeile „It’s a new dawn“ der Tatsache verdankt, dass Jefferson Airplane bei diesem Festival um 7 Uhr morgens dran waren. Dass der Revolutionssong „Volunteers“, der auf dieser hervorragenden Compilation in seiner chaotisch-inspirierten Woodstock-Version drauf ist, ursprünglich von einem Müllentsorgungsunternehmen namens „Volunteers Of America“ handelt, bis Paul Kantner die Zeilen „Gotta revolution, gotta revolution“ hineinkorrigierte.

Die Band bestand neben drei profilneurotischen Egos, die sich ums Mikrophon drängten ( Grace Slick – Sex und Drogen/ kluge Tochter aus bürgerlicher Familie, Paul Kantner – selbsternannter Anarchistenführer, Marty Balin – hymnisch beseelte Soulstimme) aus Jorma Kaukonens einmalig knarziger Gitarre und Jack Casadys supervoluminösen Bass, sowie dem exzentrischen Schlagzeuger Skip Spence. Dazu gehörten gute Freunde (David Crosby, Jerry Garcia und Nicky Hopkins) , die oft und gern bei Sessions mitspielten.

Jefferson Airplane, Somebody To Love/ White Rabbit, 1967

Text/ Musik/ Grace Slick

Produzent/ Rick Jarrard

Label/ RCA Victor

„White Rabbit“ war der erste wirklich populäre Pro-LSD-Song. Anhand von Bildern aus „Alice im Wunderland“ wird hier zu trockenen Marschrhythmen die Welt der „pills“ und „mushrooms“ besungen. Natürlich ist „White Rabbit“ en Masse attraktiver als die Musik späterer Tage, in der LSD als „künstliches Paradies“, als vermeintlich natürliche Begabung der Phantasie attraktiv gemacht wird. Es geht in dem Song nicht darum sich in indische Heilige zu verwandeln, sondern das Künstliche, willkürlich Herbeigeführte des Trips zu lieben. Und Grace Slick meinte es dann schon ziemlich ernst, wenn sie am Schluss von „White Rabbit“ forderte: „Leave Your Head!“

Noch wichtiger als Drogen war Sex. Grace Slick hob bei Konzerten gern ihren Minirock und hatte nichts darunter. Das war damals viel brisanter, als man heute denken könnte, aber die Airplane gingen noch einen wesentlichen Schritt weiter: „Tears are running down your breast…/ And all the joy within you dies/ Don’t you want somebody to love/ Don’t you need somebody to love/ Wouldn’t you love somebody to love/ You better find somebody to love.“ Und Millionen Teenager im ganzen Land schrien „Ja! Ja! Ja!“. Und „to love“ hiess nicht „lieben“ sondern „ficken“. Und die Teenager gingen raus und suchten sich jemanden zum Ficken. Auch heute denken die jungen Leute keinen Deut anders als damals. Von Phasen und Genies mal abgesehen, fragen sich 14- bis 24jährige in ihrer Musik wie in ihrer Literatur immer dasselbe, wo komme ich her, wie fühle ich mich, fühle ich mich wohl, was ist das eigentlich, Sichwohlfühlen, wo gibts Liebe und was kostet sie, was ist das eigentlich Liebe?

Hot Tuna, Steady As She Goes, 2011

Produzent/ Larry Campbell

Label/ Red House

Erstaunlich, wie langlebig manche Bands auch ohne Ewigkeitsruhm à la Rolling Stones sind. Hot Tuna hat es an Bekanntheit niemals mit dem „Mutterschiff“ Jefferson Airplane aufnehmen können. Doch noch heute ist die Gruppe (nach kurzzeitiger Unterbrechung in den 80er Jahren) auf Tour. Und mit Jorma Kaukonen und Jack Casady sind zwei der Gründungsmitglieder noch immer an Bord. Damit ist sie die am längsten existierende Band der kalifornischen Hippie-Szene… Seltsam eigentlich, dass es zwanzig Jahre dauern musste, bis sie mal wieder ein Album aufgenommen haben.

Wenn Musiker als „authentisch“ oder ur-amerikanisch geltende Rockmusik einspielen wollten, dann war das Studio des 2012 verstorbenen Schlagzeugers und Bandleader Levon Helm in Woodstock ein gern aufgesuchter Ort. Denn irgendwie gilt seit den Tagen der „Basement Tapes“ (oder fälschlicherweise seit dem Woodstock-Festival) Woodstock als ein fast mythischer Ort. Hot Tuna jedenfalls ist dieser Ausflug gut bekommen.

„Steady As She Goes“ mag nicht das spektakulärste Bluesrockalbum sein. Doch die zwölf Songs (ob von den Bandmitgliedern geschrieben oder Neuinterpretationen etwa von Rev. Gary Davis) sind in ihrer ruhigen Art auf jeden Fall mehr als hörenswert. Die Lieder treten nicht im Wettstreit um den schnellsten und härtesten Bluesrock an, sondern sind mit Mandolinen und anderen akustischen Instrumenten eher im Grenzland zwischen Folk, Blues und Country angesiedelt. Und damit kann man sich einen ruhigen Abend sehr angenehm vertreiben.