
John Lennon, Walls And Bridges, 1974
Produzent/ John Lennon
Label/ Capitol Records
„Walls And Bridges“ ist zwar nicht das, was ich einen Heuler nennen würde – dazu ist es einfach zu seriös und ernsthaft – aber dafür hat es mehr Substanz als die neuen Alben, die ich in letzter Zeit gehört habe. „Walls And Bridges“ ist ein Album, das ich in diesem Winter wiederentdeckt habe, eine „Stimmungsplatte“ in vielerlei Hinsicht. Nicht nur, weil so sanfte Songs wie „Nr. 9 Dream“ darauf sind, sondern auch wegen der harten Sachen wie „What You Got“ oder „Whatever Gets You Thru The Night“, wobei mich das letztere mit seinen schrägen Saxophonpassagen irgendwie an Junior Walker erinnert, auch gewisse Anklänge an Stevie Wonder oder Booker T. & The M.G.’s sind nicht zu überhören.
Es ist faszinierend, wie Lennon es geschafft hat, eine Bläsergruppe, die vielen Streichern und die Plastic Ono Nuclear Band auf allen Stücken so unter einen Hut zu bringen, dass ein Song, der funky sein soll, eben wirklich funky ist und nicht etwa überladen. Und dass die gleichermassen verträumten und melancholischen Lieder ebenso wie die verbitterten und gequälten eben wirklich verträumt oder melancholisch oder verbittert und gequält wirken, ohne jemals durch die doch recht vollgepackten Arrangements ins Kitschige und Süssliche abrutschen. Fred Ghurkin alias Dr. Winston O’Boogie alias John Lennon war halt einer der wenigen Leute im Showbiz, die sich redlich Mühe gegeben haben, sich selbst in ihrer Musik zu verwirklichen.