
Taj Mahal, Giant Step, 1969
Produzent/ David Rubinson
Label/ Columbia
Es mag für die heutige Generation unvorstellbar sein, aber es gab früher tatsächlich Musiker, die sich in ihrer Musik wohlfühlten „wie ein Schwein, das sich im Schlamm wälzt“. Um diesen interessanten Typus näher zu durchleuchten, müssen wir Taj Mahal (d.i. Henry Saint Clair Fredericks) aus seiner wohlverdienten Halbvergessenhewit ziehen.
Nach zwei modernen spätsechziger Blues-Revival-Platten erfolgte der „Giant Step“, und Taj Mahal machte sich auf, um „The Real Thing“ zu finden, forschte nach dem „De Ole Folks At Home“. Das klang jedenfalls auf befremdliche Weise vertraut genug, um den musikalischen Irritationen gerecht zu werden, die er mit seiner Mischung aus wiederbelebtem Countryblues und verhaltenen Rockanklängen hervorrief. Das 1969 erschienene Doppelalbum „Giant Step/De Ole Folks At Home“ wurde die erfolgreichste Taj-Mahal-Platte aller Zeiten. Das Doppelpack hat zwei völlig unterschiedliche Platten, einmal elektrischer Blues-Rock, mit Jesse Ed Davis an der Gitarre und ausgehend von Songs, die im Original eigentlich nicht so bluesig sind („Giant Step“ von den Monkees oder Dave Dudleys „Six Days On The Road“), zum anderen Küchengesänge seiner Grossmutter, Banjo- und Mundharmonika-Instrumentals, Klatschnummern, A-capella-Zeugs, alles sehr urig und dabei dennoch funky und konsumierbar (eigentlich Grundvoraussetzung für solcherlei Versuche, schafft aber fast niemand). Der Titel „Giant Step“ spielt auf John Coltranes Jazzklassiker „Giant Steps“ an, verfolgt aber die Spuren des Blues in die Popmusik hinein. Hier muss es eben nicht heissen, dass ein Musiker „gut spielt“: es geht um den richtigen Akkord zur richtigen Zeit, den groovenden Schlagzeuger, das technisch wie ideell atemberaubende Gitarrensolo; aber auch um das unkontrollierte In-die-Saiten-Dreschen, das Hemmungslos-Losbrüllen zur richtigen Zeit. Nicht dass ich damit etwas gegen einen „toll gespielten“ oder „toll komponierten“ von heute Popsong sagen will. Aber ich hätte auch gerne ein paar neue Taj Mahals.



