
Bob Dylan, Tangled Up In Blue, 1975
Text/Musik/ Bob Dylan
Produzent/ Bob Dylan
Label/ Columbia
Eines Morgens erwachte ich. Die Sonne schien und ich lag noch im Bett. Ich fragte mich, ob sie mal wieder alles umgeworfen hat und ob ihr Haar noch rot wäre. Ihre Leute glaubten ja nie an uns, mochten Mamas selbstgestrickten Kleider nicht, Papas Konto war ihnen nicht dick genug, und ich stand an der Strassenseite, Regen fiel auf meine Schuhe, ich wollte zur Ostküste. Der Herr weiss, was ich durchgemacht hab‘. Sie war schon verheiratet, als wir uns das erste Mal trafen, sollte aber bald geschieden werden. Ich hab ihr aus der Klemme geholfen, glaub ich, vielleicht mit etwas zuviel Kraft. Wir fuhren mit diesem Wagen, so weit es ging, liessen ihn dann irgendwo draussen im Westen stehen, in einer dunklen traurigen Nacht trennten wir uns und waren uns einig, dass es das Beste wär. Sie drehte sich nochmal um, als ich schon lief und sagte: „Kleiner, wir werden uns wiedersehen, eines Tages, auf der Strasse.“ Ich arbeitete dann eine Zeit lang in den Wäldern im Norden, mochte es aber nicht und liess die Axt ganz einfach fallen, ich geriet dann in den Süden, nach New Orleans, wo ich das Glück hatte einen Job zu bekommen, bei einem Fischer, gleich bei Delacroix. Aber die ganze Zeit, die ich allein war, war mir die Vergangenheit dicht auf den Fersen. Ich hab verdammt viele Frauen gesehen, aber sie ging mir nie aus dem Kopf. Sie arbeitete in einer Oben-ohne-Bar, wo ich mal für ein Bier reinschaute. Ich konnte sie nur von der Seite sehen, weil das Rampenlicht so stark war. Später, als es leer wurde, hab ich sie noch immer angestarrt. Sie stellte sich hinter meinen Stuhl und meinte: „Kenn ich dich nicht von irgendwoher?“ Ich murmelte etwas und sie studierte die Linien meines Gesichts. Ich muss zugeben, dass ich mich etwas seltsam fühlte, als sie sich hinkniete, um mir die Schuhbänder zu binden. Sie sagte: „Ich dachte, du sagst überhaupt nicht mehr guten Tag. Siehst aus wie der schweigsame Typ.“ Dann holte sie einen Gedichtband heraus, geschrieben von einem italienischen Dichter aus dem 15. Jahrhundert und alle Worte klangen so wahr und brannten wie glühende Kohle in meiner Seele, als wären sie von mir für dich. Ich wohnte dann mit diesem Paar in der Montague-Street, in einem Kellerloch. Nachts war Musik in den Cafés und Revolution lag in der Luft. Schliesslich fing er an mit Sklaven zu handeln und irgendwas in ihnen starb. Sie musste alles verkaufen, was sie hatte und fror inwendig ein. Als die Sache schliesslich aufflog, musste ich natürlich verduften. Das einzige was ich konnte, war einfach nur weitermachen, wie ein Vogel beim Fliegen. Ich geh jetzt aber wieder zurück, irgendwie muss ich sie finden. Alle unsere ehemaligen Freunde bedeuten mir heute nichts mehr. Einige sind Mathematiker, andere sind Tischlerfrauen, ich weiss nicht wie es dazukommen konnte, ich weiss nicht, was die mit ihrem Leben machen. Aber ich bin immer noch auf der Strasse, auf der Suche nach der nächsten Unterkunft. Eigentlich haben wird doch immer dasselbe gefühlt, wir sind nur von einem anderen Standpunkt ausgegangen.