
Neil Young, Harvest, 1972
Produzent/ Neil Young, Jack Nitzsche
Label/ Reprise
„Harvest“ mit dem Hitmonster „Heart of Gold“ wurde damals als „kommerzieller Mist“ abgetan. Nichts war uncooler, als diese Platte zu mögen. „Harvest“ in aller Öffentlichkeit aufzulegen, das war wie Kindersex im Internet: Alltag, aber so etwas von unkorrekt! Dabei serviert uns hier ein auf die 30 zugehender Superstar seine ganze Twen-Angst, sein Bibbern vor dem Altern, sein bisschen Philosophie, spielt sein ungeheures Potential aus, ebenso einfache wie wundersam dauerhafte Melodien zu zaubern, zelebriert seine hünenhafte Selbstgerechtigkeit, die nur noch von seinem Mitgefühl für sein eben dem Krankenbett entwichenen Ich und eine Handvoll Freunde übertroffen wird.
Dazu chargiert Jack Nitzsche bombastische Orchesterarrangements à la Gershwin bis wir knietief durch Blut, Streicher und Tränen waten: Ja, „A Man Needs a Maid“. Dies alles in seiner Monströsität zu schätzen und zu verstehen, das Album „Harvest“ zu lieben, es nicht nur hippielagerfeuermässig auf das Nachträllern trauriger Liedchen zu reduzieren, sondern es in seiner Grösse, in seiner Humanität, Romantik und Sentimentalität auszustellen, das zeichnet den wahren Neil-Young-Fan aus, und nicht der Besitz einer 10-CD-Sammlung mit Live-Aufnahmen.