
The Rolling Stones, T.A.M.I. Show, 1964
Produzent/ Lee Savin, Bill Sargent
Label/ American International Pictures
Am 26. Juli 2023 wird Mick Jagger achtzig Jahre alt. Der Sänger der Rolling Stones wurde geboren, als während des zweiten Weltkriegs Popmusik, wie wir sie heute kennen, Gestalt annahm. Als das amerikanische Radio auf der ganzen Welt zu hören war. Als die Musik für den amerikanischen Körper, den Körper der Freien und Reichen, ganz selbstverständlich die Musik des europäischen Geistes der Befreiten und Besiegten, zu einem obsoleten und toten Phänomen degradierte. Zur Musik Beethovens und Wagners war während des Faschismus gefeiert, in den Konzentrationslagern gemordet worden. Die neue Musik erstrahlte im Licht der Atombombe, Siegermusik, unbeschwert und lärmend, die nie vorgab, mehr als nur dem Augenblick zu huldigen. Daher ist Popmusik für jeden zu verstehen, von jedem zu machen, ihre Geschichte zu jener Zeit noch eine ungeschriebene Möglichkeit, ihr weltweiter Erfolg nicht mehr aufzuhalten.
Der Popchronist Nik Cohn schrieb über sein erstes Zusammentreffen mit den Rolling Stones im Jahr 1965: „ Eine grosse, protzige Limousine kam um die Ecke. Ihr folgten Polizeiwagen, Polizisten zu Fuss, Polizisten auf Motorrädern, und denen wiederum folgten mehrere hundert weibliche Teenager. Diese Mädchen machten einen nicht abbrechenden, schrillen und durchdringenden Lärm, und ihre Schuhe klapperten auf den Steinen. Sie rannten wie wahnsinnig, die Haare fielen ihnen über die Augen, und sie streckten flehentlich die Arme aus beim Laufen. Sie waren verzweifelt… Die Rolling Stones stiegen aus der Limousine. Sie hatten Haare bis über die Schultern, und sie trugen Sachen in unvorstellbaren Farben, und sie sahen gemein aus, sie sahen einfach unwahrscheinlich böse aus. In dieser grauen Strasse strahlten sie wie die Sonnengötter. Sie schienen nicht menschlich. Sie waren wie Geschöpfe von einem anderen Stern, unmöglich zu erreichen oder zu verstehen, unglaublich exotisch, ungeheuer schön in ihrer Hässlichkeit.“
Als Mick Jagger in den 90er Jahren in seinem von Fans umlagerten Hotel von einem Journalisten gefragt wurde, ob er wisse, warum die da draussen stehen, hatte er mit „Nein“ geantwortet. Denn keiner der Stars, der die meist kurze Phase der kreischenden Mädchen übersteht, um danach einen eigenständigen Beitrag zu Pophistorie zu liefern, wird später gerne daran erinnert, dass er seinen Erfolg eigentlich einer Art vorbewusster Kinderhysterie verdankt. Das veträgt sich schlecht mit einem Selbstverständnis als abgebrühter Musikmanager oder sensibler Popkünstler.
