
Bob Dylan, Under The Red Sky, 1990
Produzent/ Don Was, David Was
Label/ Columbia
„Under The Red Sky“ gilt unter Dylanologen als eines der schlechtesten Alben. Es liegt aufreizend infantil zwischen zwei edlen, von Daniel Lanois produzierten, Meisterwerken. Es gilt als dermassen verpatzt, dass die vielen negativen Kritiken auch dem Meister für mehrere Jahre die Sprache verschlugen. Nicht aber das Singen. Er ging öfters auf Tour, machte eine Back-to-the-Roots-Folk-Therapie in Form von zwei Alben – „Good As I Been To You“ (1991) und „World Gone Wrong“ (1992) – mit ausschliesslich Coverversionen. Es dauerte sieben Jahre, bis Dylan mit neuen Songs und dem Album „Time Out of Mind (1997) erschien.
Aber was ist den so schlimm an „Under The Red Sky“? Den meisten Kritikern ging bereits beim ersten Song der Hut hoch: „Wiggle, wiggle – like a gypsy queen, wiggle, wiggle all dressed in green, wiggle, wiggle til the moon is blue, wiggle til the moon sees you.“ Banal? Nein, entzückend! Es ist die pure Übersetzung von Vergnügtheit und Lebenslust. Es braucht einiges an Verbiesterung und Erbsenzählerei, um dieses heitere, kindlich-spontane Album mit der Vergleichskeule zu erschlagen. Wie kann – so der übliche Vorwurf – ein Sänger, der „Desolation Row“ geschrieben, so ein fröhliches Rockabilly-Album herausgeben? Vielleicht weil er einfach Lust dazu hatte.
Sommer 1969: Eine Kleinstadt am Jurasüdfuss und ich war zum ersten Mal richtig verliebt. Und da war diese Langspielplatte „Nashville Skyline“. Das reinste Glück. Ich war gerade 16 und das Lied „Girl From The North Country“ wurde eine gleissende Verheissung von Liebe, Lebensfreude und Melancholie. Dreiundzwanzig Jahre später erscheint „Under The Red Sky“, der Titelsong beginnt mit: „There was a little boy and there was a little girl/ And they lived in an alley under the red sky.“ Und weiter: „There was an old man and he lived in the moon/ One summer’s day he came passing by“. Der Menschen Engel sei, sagt Schiller, die Zeit. Die Zeit ist auch das häufigste Substantiv bei Dylan. Man erlaube mir also, „Under The Red Sky“ gleichzeitig als Wiedererinnerung an eine Jugendliebe und als Echo eines früheren Liedes mitzuhören.
