
J. J. Cale, Call Me the Breeze, 1972
Text/Musik/ J. J. Cale
Produzent/ Audie Ashworth
Label/ Shelter Records
Es war 1996 und J. J. Cale trat mit seiner Band in der Eulachhalle in Winterthur auf. Obwohl ich es hätte wissen müssen, war ich von seinem Auftritt verblüfft. Der Mann aus Oklahoma rührte sich praktisch nicht, er sass einfach das ganze Konzert über nur da, manchmal stellte er irgendetwas an seinem Fusspedal um oder wippte leicht mit dem Takt, den Kopf hielt er meist über die Gitarre gebeugt, er sprach zwischen den Songs fast kein Wort, aber er wirkte nicht autistisch oder abgewandt, er war einfach cool. Man war expressiv, laut wild oder authentisch. J. J. Cale war cool, er war laid back. Und er hat den Pop-Haiku erfunden. Da ist eine Magie, die seine Musik und seine Songs ausstrahlen, die meist berühmter wurden, wenn andere sie spielten, wie „After Midnight“ oder „Cocaine“. Ein grosser Hit in seiner Einspielung war „Call Me the Breeze“: „They call me the breeze/ I keep blowing down the road/ They call me the breeze/ I keep blowing down the road/ I ain’t got me nobody/ I ain’t carrying me no load.“
Einfacher können Worte gar nicht sein, Cale macht auch in seinen nie sehr langen Songs nie viele Worte. Über sich selbst spricht er fast gar nicht, aber in seinen Songs, an denen er ewig herumfeilt und -bastelt, ist alles gesagt, über die Liebe, die Vergänglichkeit, den amerikanischen Süden, seine Lebenshaltung, über den Rausch, den Tod. Die Texte sind voller Ironie, trockener Hinterlist, auch wenn sie so schlicht, manchmal auch sehr melancholisch daherkommen. Die Magie kommt von ihrer Verknappung, der perfekten und doch zurückhaltenden Instrumentierung, dem grandiosen aber dezenten Gitarrenspiel. Wo andere dröhnen, deutet J. J. Cale an, wo andere brüllen, flüstert er, wenn anderswo gleichsam zur grossen Rockoper und -symphonie ausgeholt wird, wenn lärmender Brei und endlose Soli auf einen niederprasseln, wird bei Cale ein zwischen Country, Folk, Blues und Rock angesiedelter, ganz unverwechselbarer Sound geboten, der sich aus der Stille hebt und in Rollen kommt, aber einen nie wie ein Lawine überrollt, sondern mitnimmt, als würde man in einem alten Amischlitten durch den Süden cruisen.
