
The Kinks, Waterloo Sunset, 1967
Text/Musik/ Ray Davies
Produzent/ Ray Davies, Shel Talmy
Label/ Pye Records
Die Gegend um Waterloo war für Ray Davies persönlich von grosser Bedeutung. Als kleiner Junge lag er einmal wegen Tracheotomie im dortigen St. Thomas Hospital, und die Schwestern schoben ihn auf den Krankenhausbalkon, von wo aus er auf die Themse blicken konnte, den „dirty old river“ im Song. Auch als Kunststudent, auf dem Weg zur Croydon Art School, war Davies täglich durch Waterloo gekommen.
Der Song erzählt, wie ein einsamer Aussenseiter ein Paar beobachtet, das sich am Bahnhof Waterloo trifft und, in traute Gespräche vertieft, über die Waterloo Bridge weiter Richtung Nord-London geht. Die Beobachtung des Sonnenuntergangs über der Themse und der kleinen Liebesaffäre, die sich dort unten abspielt, bereiten dem Ich das Gefühl, im Paradies zu sein. Beteiligung, körperliche Präsenz macht ihm Angst, kühle Winde drohen.
Der wehmütige Sänger („But I don’t need no friends“) tröstet sich mit der Schönheit des Sonnenuntergangs über der Londoner Skyline. Diese Perspektive ist auch ein Element der Eroberung der Stadt durch neue jugendliche Subjektivitäten, wie sie in den 1960er Jahren imaginär und real stattfand. Die Stadt als unendlicher Möglichkeitsraum bleibt nur als Potenzial unendlich gross, die mit ihm verbundene Angst ist nicht nur die vor der Überwältigung, die man überwinden kann, indem man in eigener Regie high wird, sich seine Überwältigung selbst organisiert, sondern auch die Angst, dieser sich öffnende Stadtraum könne sich verengen, wenn man mit ihm anders als durch Überblicke Kontakt aufnimmt. Das Bekenntnis, keine Freunde zu brauchen, ist auch das Wissen des Dandys, dass mit anwesenden Freunden nichts schöner wird, das schon durch die Beobachtung von Menschen schön ist.
„Waterloo Sunset“ aus dem Sommer 1967 ist eine von Ray Davies gelungensten Kompositionen. Ein schönes, melancholisches, warmes Bild von London im Dämmerlicht.
