John Fogerty, Centerfield, 1985

Produzent/ John Fogerty

Label/ Warner Brothers

Auf „Centerfield“ vereinigen sich der historische CCR-Swamp-Rock, Countryelemente, Spuren von Soul und R&B und gar discohafte Anklänge zu schierer Harmonie. Das Album zeigt, dass John Fogerty eben doch ein „Ace Of Spades“ ist. Das erste und das letzte Stück bilden eine Art Klammer. „The Old Man Down The Road“ ist drückend, etwas bedrohlich, aber nicht ohne Witz. „Zant Kant Danz“ ist ausgesprochen komisch und raffiniert produziert und arrangiert, mit einfacher glatter Harmonie. Der Text handelt übrigens von einem zum Taschendieb ausgebildeten Schweinchen namens Zanz.

Schön eingebettet dazwischen liegen gelassene Enttäuschung („I Saw It On TV“), verärgertes Anrennen gegen Ausweglosigkeit („Searchlight“) und freches Aufbegehren („Centerfield“) und so weiter. Zwei Schwachpunkte gibt es aber auch: „Rock And Roll Girls“ und besonders „Mr. Greed“ wirken unvorteilhaft klotzig mit aufdringlicher Gitarre inmitten der sonst von Fogerty selbst sehr eigen und rein arrangierten Stücke. Davon abgesehen ist „Centerfield“ aber eine Zeit und Raum überwindende Erfreulichkeit schlechthin. „He take the thunder from the mountain/ He take a lightning from the sky/ He bring a strong man to his begging knee/ He make the young girl’s mama cry“ – wie gesagt.

R.L. Burnside, A Bothered Mind, 2004

Produzent/ Martin Tino Gross

Label/ Fat Possum

Jahrelang spielte er den Country Blues in den Juke Joints des Mississippi-Deltas weitgehend unbeachtet. Erst 1968 bekam er Gelegenheit, seine Songs aufzunehmen. Die auf „First Recordings” zusammengestellten 14 Titel zeigen einen Blueser der eher traurigen Gestalt, da springt dem Hörer nicht gerade Lebensfreude aus den Boxen entgegen. R.L. Burnside ist so etwas wie der leibhaftige Bluessänger, ein Geschichtenerzähler, der seine Songs ungeschliffen, rau und punkig vorträgt und so zum führenden Vertreter des North Mississippi Hill Country Blues wurde. Die meisten Songs bestehen aus einem einzigen Riff, der Rhythmus ist nicht treibend, sondern absolut mitreissend. Es ist böse, menschliche Musik aus dem dunklen Mississippi-Hinterland, eine Mischung aus Armut, Pussy, Mord, Alk und schwarzem Humor. 2004 erschien das letzte Album „A Bothered Mind“, das den damals schon 78jährigen in Hochform zeigt, der nichts von seiner rauen Art und damit von seiner Glaubwürdigkeit verloren hat.

Mazzy Star, So Tonight That I Might See, 1993

Text/ Musik/ David Roback, Hope Sandoval

Produzent/ David Roback

Label/ Capitol

Als dieses Album veröffentlicht wurde, war ich in einer anderen Musikrichtung unterwegs: Blues, Rock und Alternative. Mazzy Star waren mir damals zu ruhig und spacig gewesen. Heute sind sie es nicht mehr. Vor ein paar Monaten habe ich zum ersten Mal das Album „So Tonight That I Might See“ gehört und bin gleich beim ersten Lied „Fade Into You“ hängengeblieben. Dieses ist fast zu schön, um wahr zu sein, es klingt famos wie Mazzy Star dieses „ Knockin’ on Heaven’s Door“- Thema zum besten gibt, und die Sundowner-Gitarre schmilzt jede Alltagshärte weg. Der Gesang ist delikat: „Fade into you… Strange you never knew…Fade into you…“ Mit solch melancholischen Liedern lässt sich vortrefflich die Zeit verträumen.

Hope Sandoval ist die Sängerin mit der Traumstimme, während der zwischenzeitlich verstorbene David Roback ein genialer Soundtüftler war. Beide bilden zusammen eine originale musikalische Symbiose. Besonders eindrucksvolle Songs sind neben „Fade Into You“, „Bells Ring“, „Five String Serenade“, „Blue Light“, „Into Dust“. Sie haben alle diesen lähmenden psychedelische Schwebezustand, der sich wie ein feiner Rauch im Raum ausbreitet, dazu Hopes charismatische Aura sowie ihre eigenartig entrückte zeitlupenhafte Stimme beschreiben eine ungemein intensive, weit in der Vergangenheit zu liegen scheinende Atmosphäre. Wo ist der Blues? Egal, das Album hat ihn nicht zu knapp. Die Band sitzt immer noch am Delta und träumt von Robert Johnson oder Peter Green.

Lambchop, How I Quit Smoking, 1996

Produzent/ Your Starry Eyes

Label/ Merge

Auf dem gelb grundierten Cover ist ein Kohlezeichnung, die ein Gesicht zeigt, das sich in einem mit Rauch gefüllten Becher zu materialisieren scheint. Über den oberen, angeschliffenen Becherrand zieht sich der Albumtitel, während der Bandname auf einer Schublade steht, die durch das Gesichtsfeld der Rauchfigur fährt – oder auch einfach dort auftaucht, so genau weiss man das nicht. Es könnte eine feine, leicht verschrobene Referenz an Bruce Springsteens „I’m On Fire“ sein – wo im Original ein Güterzug durch den Kopf des singenden Erzählers rollt, ist es hier eben eine kleine Schubkarre, die im Gesicht herumfährt.

Die Lieder sind wie Berichte aus dem Alltagsleben kleiner Leute, einfühlsam vorgetragen und sachte instrumentiert, obwohl Lambchop zu jener Zeit noch als 13-köpfiges Kollektiv agierte, das auch Bläser umfasste. Es gibt ein paar wunderbare Songs auf dem Album: der Achtungserfolg „The Man Who Loved Beer“, der Jahre später auch von David Byrne neu interpretiert wurde, der luzide Nachmittagrummel von „All Smiles and Mariachi“ oder das reduziert arrangierte Liebeslied „Theöne“.

Das Album „How I Quit Smoking“ (der Titel ist wohl als Witz von Bandleader Kurt Wagner zu verstehen, (einem begeisterten Zigarettenraucher) ist jahrelang in den Weiten meiner Sammlung verlorengegangen, und erst kürzlich wieder aufgetaucht und hat mich mit einer kleinen Schubkarre Trost überschüttet.

The Kinks, Harry Rag, 1967

Text/Musik/ Ray Davies

Produzent/ Shel Talmy

Label/ Pye Records


„Something Else“ ist ein elegantes Album über zivilisierte, normale Belange, die alle Klassen durchziehen. Es klingt unwesentlich, wird aber stillschweigend tiefgreifend. Das letzte Mal, als ich es mir anhörte, war mein Lieblingslied nicht „Waterloo Sunset“, sondern „Harry Rag“. Betitelt nach einem Slang-Wort für Zigaretten, handelt es von den erbaulichen Freuden des Rauchens: die eingefallene alte Frau, die bald ihren letzten Atemzug tun wird und sich für das Leben verflucht, das sie geführt hat, sich eine Zigarette dreht und dann ins Bett legt, und der Typ, der sich vom letzten Penny, den ihm das Finanzamt lässt, die verlockenden Glimmstängel kauft.

Die erkennbare Freude an diesem törichten Genuss erreicht ihren Höhepunkt in Zeilen wie: „Ah, the smart young ladies of the land can’t relax without a harry in their hand“ und „they boast and brag, so content because they’ve got a harry rag“. Man kann sie sich vorstellen, wie sie die Zigarette zwischen den Fingern halten und gekünstelt daran ziehen. Ray Davies hört sich wie ein rustikaler Folksänger an, und die Band spielt wie auf einer Music-Hall-Tanzparty, was fast ein zu grosser Rahmen wäre; sie könnten auch in einem Pub auf der kleinen Bühne stehen. „Bingo!“, quietscht Dave Davies auf dem Fade-out, ausser sich vor Freude.

Tex Williams, Smoke! Smoke! (That Cigarette), 1947

Text/Musik/ Merle Travis, Tex Williams

Label/ Capitol Americana

Ehrlich gesagt ist mir schleierhaft, wie man sich nach verrauchten Wirtshäusern und Büros zurücksehnen kann. Solange dieses Rauchen jedoch nur in Büchern, Filmen und in der Musik stattfindet, stört es mich nicht. Der Videoclip zu „Smoke Smoke Smoke that Cigarette“ von Tex Williams ist mit Werbespots (vorallem aus den Vierzigern und Fünfzigern) zum Thema unterlegt. Die Zigarette macht Männer zu coolen Jungs und harten Kerls; die vom blauen Dunst umhüllte Frau, deren glutroten Lippen den Glimmstengel liebkosen, wird zum mysteriösen, ja fatalen Wesen. Die Zigarette ist in einsamen Momenten des Manns einzige Freundin; beim Rauchen lässt sich angeblich bestens sinnieren und in Erinnerungen schwelgen – und ohnehin halten sich Raucher für bessere Geniesser als Nichtraucher.

Der Song „Smoke Smoke Smoke that Cigarette“ sollte hier aber nicht der Verherrlichung des Rauchens dienen, denn wie jeder mit Raucherfahrung weiss, wird dabei nicht nur genossen, sondern auch reichlich gehustet und geröchelt.

John Mellencamp, No Better Than This, 2010

Produzent/ T Bone Burnett

Label/ Rounder Records

Wenn jemand so produzieren kann, dass sich auch jüngere Sänger anhören wie lebensweise Greise, dann T Bone Burnett. John Mellencamp wurde mit 30 Grossvater, und als er 42 war, hatte er seinen ersten Herzinfarkt. Sein Leben bettelte Mellencamp darum, wie Dylan und Springsteen anerkannt zu werden, als erfahrene, dunkle Stimme aus den Urgründen Amerikas. Als er 58 Jahre alt war, erfüllte T Bone Burnett, der Produzent, seinen Wunsch.

Bei dem Album „No Better Than This“ wurde auf „neumodischen Schnickschnack“ in der Aufnahmetechnik verzichtet. Mellencamp wandelt hier auf den Spuren von Howlin‘ Wolf, dem jungen Elvis Presley und Robert Johnson. Die Aufnahmen mit der excellenten Begleitcombo u.a. mit Mac Ribot (Gitarre/ Banjo), David Roe (Bass), Jay Bellerose (Drums/ Percussion) und Miriam Sturm (Violine) entstanden an mehreren Aufnahmeorten mit Originaltechnik. So spielten sie beispielsweise in den legendären Sun-Studios in Memphis, oder im Zimmer 404 des Gunter Hotel in San Antonio, wo Robert Johnson im November 1936 u.a. sein legendäres „Dust My Broom“ aufnahm.

Mellencamp’s einzigartiges Experiment möchte ich als geglückt bezeichnen. Die Stücke bewegen sich zwischen Folk, Blues, Pre-Rock’n’Roll und Country. Sicher mag der Sound manchen erstmal irritieren, wer sich allerdings auf das Album einlässt, wird wunderschöne Songs entdecken, vorgetragen mit viel Soul in der rauen Stimme. Wie eine Botschaft aus längst vergangener Zeit. Der schönste Lied auf dem Album ist für mich persönlich „Save Some Time To Dream“: „Try to keep your mind open/ And accept your mistakes/ Save some time for living/ And always question your faith/ Could it be that this is all there is?/ Could it be that there is nothing more at all?/ Save some time to dream/ Cause your dream might save us all“.

Small Faces, Whatcha Gonna Do About It, 1965

Text/Musik/ Brian Potter, Ian Samwell

Produzent/ Ian Samwell

Label/ Decca

Die Small Faces gab es gerade mal ein paar Wochen, als im August 1965 „Whatcha Gonna Do About It“ herauskam, ihre erste Single. Das hypnotische Riff war zwar von einem Song von Salomon Burke abgekupfert, trotzdem kam die Platte in die britischen Charts und die kleinwüchsige, aus engagierten James-Brown- und Ray-Charles-Fans bestehende Band wurde zur Lieblings-Beatschuppengruppe der party- und klamottensüchtigen Mods. Vorallem ihr Sänger Steve Marriott, ein Krakeeler und Rumpelstilzchen, sorgte auf der Bühne für Alarm. Das Publikum tanzte bei ihren Konzerten wie wild.

Es gibt es diese vergnügliche Geschichte, wie Don Arden, der Manager der Small Faces, bei den Eltern der Musiker aufgetaucht war, um die geringen Einkünfte der Small Faces durch eine von ihm erfundene Heroinabhängigkeit zu erklären. In Wahrheit speiste er die Band mit einem Taschengeld ab und liess sie zum Beispiel nie in die USA reisen, weil sie dort unweigerlich mitbekommen hätten, welche Summen ein Musiker in den 60ern bereits verdienen konnte.

Joan Baez, Diamonds & Rust, 1974

Text/Musik/ Joan Baez

Produzent/ David Kershenbaum, Joan Baez

Label/ A&M

Beim New Yorker Folk Revial zu Beginn der 1960er Jahre waren sie ein Künstlerpaar, das sich gegenseitig ermutigte. Sie, die vor ihm berühmt war und ihn bekannt machte, indem sie ihn mit ihr auftreten liess, fühlte sich wie eine Mutter, zugleich wie eine mystische Schwester, sah ihn als „fragiles Sonntagskind“ in der von ihr gekauften Ausstattung – zusammen ​seien sie ein „lebendiger Mythos“ gewesen. Alles schien perfekt. Aber das war eben damals. Im Lied hat der Mythos bereits Rost angesetzt. Deswegen ist das Stück so gut, es ist die Darstellung einer grossen Liebe und zugleich ihr Abgesang. Der hohe Ton, den man von Baez kennt wird hier gleich beim Einstieg schon mit einem Fluch („I’ll be damned“) gebrochen. Der Gegensatz zwischen der wohlerzogenen, fast heilig wirkenden Joan und dem jungen Wilden Bob machte den Reiz des Paares aus. Aber während sie damals seine genialische, aufmüpfige Art und Inszenierung bewunderte, hat in ihrem Erinnerungslied diese Bewunderung einen Knick bekommen. Die Zuschreibungen für den jungen Dylan, der mit seiner Chuzpe zur Selbsterfindung in die New Yorker Szene einschlug, kaum angekommen und doch „already a legend“, sind zwischen freundlicher und beissender Ironie: „the unwashed phenomenon“, „the original vagabond“.

Man kann „Diamonds & Rust“ ohne weiteres als ein der grossen Balladen der 1970er bezeichnen. Für die Diamanten der Erinnerung, ebenso wie für den Rost, habe sie bereits bezahlt, heisst es am Schluss. Aber so traurig das Lied endet, war es im Leben doch noch nicht das Ende für Joan Baez und Bob Dylan. Wie in einer farcehaften Wiederholung ihrer Geschichte kamen sie auf seiner „Rolling Thunder“-Tournee noch einmal zusammen, zumindest auf der Bühne – und lebten dort sowie in dem dabei entstandenen Film „Renaldo and Clara“, noch einmal andere mythische Formen durch. Der Film wurde ein totaler Flop.

Bob Dylan, Subterranean Homesick Blues, 1965

Text/Musik/ Bob Dylan

Produzent/ Tom Wilson

Label/ Columbia

Es war das Jahr, in dem das elektrische Zeitalter begann. 1965 schien man sich mehr für den Stromgitarrenbediener als für den Songschreiber Bob Dylan zu interessieren. Doch während sich die Puristen beim Newport Folk Festival echauffierten, haute Dylan seine coolste Nummer überhaupt raus: „Subterranean Homesick Blues“ ist der Missing Link zwischen Jack Kerouac („The Subterraneans“) und Chuck Berry („Too Much Monkey Business“), zwischen Beat-Poetry und Hip-Hop – ein fieses, knurrendes, nölendes Ungestüm voller Anspielungen, Zitate und Doppeldeutigkeiten.

Noch aufregender als Dylans schnoddriger Sprechgesang ist nur noch sein Auftritt als Schilderwegwerfer in der filmischen Umsetzung des Songs in D.A. Pennebaker’s Doku „Don’t Look Back“.  Da spielt ja auch Allen Ginsberg mit im Video, posiert als eine Art Drogenrabbi, während Dylans Lyrics jene paranoide Stimmung beschwören, die Amerika seit den Fünfzigerjahren prägt, als der Sieg über die Nazis verbunden  mit der Angst vor ebenjenem Pseudosozialismus zu jenem merkwürdigen Reflex führte.