Chuck Berry, Johnny B. Goode, 1958

Text/Musik/ Chuck Berry

Produzent/ Leonard Chess, Phil Chess

Label/ Chess

Seit Aufkommen des Rock ’n’ Roll ist die Gitarre das unangefochtene Instrument Nr: 1der musikalischen und persönlichen Selbstfindung, die Streitaxt jugendlicher Rebellion, die sich gleichzeitig ideal zur Begleitung adoleszenter Liebesseufzer eignet. Zwar wurde der „Tod der Gitarre“ mindestens so oft eingeläutet wie das „Ende der Geschichte“ – zur Hochzeit des Synthiepops in den 80er ebenso wie mit dem Aufkommen der Techno, DJ- und Clubkultur in den 90er -, doch die Klampfe behauptete stets hartnäckig ihr Terrain und schaffte immer wieder ein Comeback. Wer mal schon mal gesehen hat, wie zwei Nerds bei einem Elektro-Konzert lustlos auf ihren Notebooks herumdaddeln, weiss warum.

Kurzum: die Gitarre ist immer noch das Instrument mit dem grössten Sexappeal. Die Musikgeschichte ist voll von Liebeserklärungen an das Instrument. Eine der ersten und einflussreichsten ist sicher von Chuck Berry. In seiner epochalen Rock ’n’ Roll-Nummer „Johnny B. Goode“ geht es um einen Hillbilly-Boy, der sich durch sein phantastisches Gitarrenspiel den Weg aus ärmlichen Verhältnissen bahnt. Eine Geschichte, die auch auf Berry selbst zutrifft. Zudem gilt „Johnny B. Goode“ heute als das Stück, das der Gitarre den Status als Hauptinstrument des Rock’n’Roll verschaffte. Das sieht man auch in der mitreissenden Live-Version von Chuck Berry mit Bruce Springsteen und der E Street Band von 1995.

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Chuck Berry, St. Louis to Liverpool, 1964

Produzent/ Leonard Chess, Philip Chess

Label/ Chess

„St. Louis To Liverpool“ nahm Chuck Berry im November 1964 auf, nachdem er mehr als zwei Jahre im Staatsgefängnis in Terre Haute, Indiana gesessen war, weil ihn auf seinen Tourneen eine junge Frau begleitete, der Prostitution vorgeworfen wurde. Dem „Mann Act“ zufolge war es verboten, jemanden über eine amerikanische Staatengrenze zu bringen, um dort einer Tätigkeit nachzugehen, die im ersten Staat verboten, im zweiten aber legal war. Man warf Berry warf Zuhälterei vor. Die Anklage wurde nach einem unverhohlen rassistischen Richterspruch neu aufgerollt, aber der Schuldspruch überstand auch die zweite Instanz.

Als er dann wieder begann, Musik zu machen, war der Rock’n’Roll -Zug in den USA regelrecht entgleist und die meisten Mit-Konkurrenten aus den Fünfzigern hatten sich nach Europa verzogen. So ist es nicht verwunderlich, dass Berry ebenfalls zunächst in England seine grössten Erfolge hatte und so ist der Titel „St. Louis to Liverpool“ wohl bezeichnend.

Allerdings ist diese LP auch ein schlagender Gegenbeweis zur These, dass Chuck Berry mit dem Aufstieg seiner Bewunderer, wie zum Beispiel den Beatles und den Stones, auf einem absteigenden Ast gewesen wäre. Ganz im Gegenteil – auf diesem Album ist das Songmaterial durchweg hervorragend und die LP gespickt mit Songs, die man irgendwann allgemein mit Chuck Berry verbinden wird. „Little Marie“ – eine Fortsetzung zu „Memphis, Tennessee“ oder „No Particular Place To Go“ stehen den Hits aus den 1950er Jahren in nichts nach, auch die poppigere Seite von Chuck Berry ist mit guten Songs wie „You Two“ vertreten, und „Things I Used To Do“ hat wieder einen dieser unverwüstlichen Killer-Gitarren-Breaks. Hier wird deutlich erkennbar, warum vor allem Keith Richards von den Stones Chuck Berry so verehrte.