Chuck Berry, St. Louis to Liverpool, 1964
Produzent/ Leonard Chess, Philip Chess
Label/ Chess
„St. Louis To Liverpool“ nahm Chuck Berry im November 1964 auf, nachdem er mehr als zwei Jahre im Staatsgefängnis in Terre Haute, Indiana gesessen war, weil ihn auf seinen Tourneen eine junge Frau begleitete, der Prostitution vorgeworfen wurde. Dem „Mann Act“ zufolge war es verboten, jemanden über eine amerikanische Staatengrenze zu bringen, um dort einer Tätigkeit nachzugehen, die im ersten Staat verboten, im zweiten aber legal war. Man warf Berry warf Zuhälterei vor. Die Anklage wurde nach einem unverhohlen rassistischen Richterspruch neu aufgerollt, aber der Schuldspruch überstand auch die zweite Instanz.
Als er dann wieder begann, Musik zu machen, war der Rock’n’Roll -Zug in den USA regelrecht entgleist und die meisten Mit-Konkurrenten aus den Fünfzigern hatten sich nach Europa verzogen. So ist es nicht verwunderlich, dass Berry ebenfalls zunächst in England seine grössten Erfolge hatte und so ist der Titel „St. Louis to Liverpool“ wohl bezeichnend.
Allerdings ist diese LP auch ein schlagender Gegenbeweis zur These, dass Chuck Berry mit dem Aufstieg seiner Bewunderer, wie zum Beispiel den Beatles und den Stones, auf einem absteigenden Ast gewesen wäre. Ganz im Gegenteil – auf diesem Album ist das Songmaterial durchweg hervorragend und die LP gespickt mit Songs, die man irgendwann allgemein mit Chuck Berry verbinden wird. „Little Marie“ – eine Fortsetzung zu „Memphis, Tennessee“ oder „No Particular Place To Go“ stehen den Hits aus den 1950er Jahren in nichts nach, auch die poppigere Seite von Chuck Berry ist mit guten Songs wie „You Two“ vertreten, und „Things I Used To Do“ hat wieder einen dieser unverwüstlichen Killer-Gitarren-Breaks. Hier wird deutlich erkennbar, warum vor allem Keith Richards von den Stones Chuck Berry so verehrte.
Auch wenn er sich immer wieder einmal selbst kopierte, er war mit seiner Musik viel näher an dem, was dann Beat und Rock heißen sollte, als die anderen Damen und Herren der Rock’n Roll-Ära, einschließlich Elvis und Little Richard.
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Ich denke auch, dass Chuck Berry als Schöpfer des Rock’n‘ Roll gilt – ein Allrounder, der sich sein Repertoire aus mehreren verschiedenen Stilen (vorallem Blues und Country) zusammengeklaubt hat. Seine Spielweise war nicht technisiert, virtuos oder verschnörkelt, sondern geradeheraus, plakativ und wirkungsorientiert. Es gibt aber Aufnahmen von ihm, auf denen er passagenweise dem Jazzgitarristen Charlie Christian ähnelt, auch wenn er dabei einen nageligen, fast aufdringlichen Ton bevorzugte.
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Wenngleich dieses Album sicherlich nicht ganz mit „Berry Is On Top“ mithalten kann, was vielleicht auch ein etwas unfairer Vergleich ist, ist diese Scheibe gleichwohl Klasse. Es macht einfach immer wieder Spaß, dem Groove in Berrys Stücken zuzuhören. Darüberhinaus mag sich sein Gitarrenspiel zwar etwas wiederholen, aber bei solchen Killersoli stört mich dies nicht weiter! Neben dem Kalkül in England auf sich aufmerksam zu machen, denke ich, daß der Titel des Albums auch ein an die Beatles gerichteter Seitenhieb war. Wohingegen Berry es genoß, daß ihn Bands wie die Stones und die Fab Four so verehrten, war es ihm gleichzeitig ein Dorn im Auge, daß andere Künstler sich seine Songs nahmen und damit große Erfolge hatten.
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Auf „St. Louis To Liverpool“ hat es nicht solche Kracher wie auf „Berry Is On Top“ – doch Chuck Berry hat den Rock’n’Roll auf den Punkt gebracht.
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