Dire Straits, Money For Nothing, 1985

Text/Musik/ Mark Knopfler

Produzent/ Mark Knopfler, Neil Dorfsman

Label/ Vertigo Records

 „Money for Nothing“ ist eigentlich ein langweiliger Song, der auf einem Riff und einem geschickt eingefädelten Chorus basiert – erst die Gesamtinszenierung entfaltet die ganze Wirkung. Knopfler zeigt sich als multimedialer Geschichtenerzähler, der auf verschiedenen Ebenen tanzt. Als Background-Sänger holten sich die Dire Straits ausgerechnet Sting, der eben The Police aufgelöst hatte und bis heute den Ruf des habgierigen Egomanen nicht los wird. Ihm gab Knopfler die Zeilen „I want my MTV“ zu einer Zeit, als der Musiksender noch Millionen für die Produktionen von Musikvideos und Promotionsauftritte zur Verfügung stellte.

Später erzählte Mark Knopfler auch die Geschichte zur Entstehung des Songs: In einem Elektrowaren-Geschäft in New York habe er zufällig mitgehört, wie zwei Typen in Arbeitsklamotten vor einem Regal mit Fernsehern stehen und über die Musikvideos lästern, die über die ausgestellten Bildschirme flimmern. Die beiden sollen sich über „die Schwuchteln mit den Ohrringen und der Schminke“ aufgeregt haben, und dass die „für den Scheiss, den die da machen“ auch noch Geld bekommen würden. Der einfache Arbeiter müsse sich mit dem Herumschleppen von Kühlschränken und Fernsehern den Rücken krumm schinden, während die Musikkonzerne mit den „yo-yo’s“ (Pfeifen, Penner, Affen) das grosse Geschäft machen.

Chet Atkins & Mark Knopfler, Neck And Neck, 1991

Produzent/ Mark Knopfler

Label/ Columbia

Bekanntermassen gehört Chet Atkins zu einer erlesenen Schar zeitgenössischer Musiker: Certified Guitar Player. Und zu den bedingungslos verehrten Kollegen von Mark Knopfler. Knopfler hatte bereits Gastspiele auf einigen Atkins-Alben wie für „Why Worry“ auf „Sails“ von 1987. 1991 erschien dann als Wettstreit der Rosenholzhälse eine komplettes Album vom ganz und gar nicht ungleichen Paar, dessen verblüffende Ähnlichkeit nach Knopflers Verzicht aufs Stirnband uns das Coverphoto eindrucksvoll präsentiert.

Auf „Neck And Neck“ nimmt sich Knopfler als Komponist zurück. Wie beim leisen Notting-Hillbillies-Projekt gibt es auch hier keinen einzigen neuen Song von ihm. Dafür hat er das Album produziert und der treue Adlatus Guy Flechter spielt Keyboards, Drums und Bass in der zurückhaltenden Begleitband. Dabei klingen dann „Yakety Yak“ und Paul Kennerleys „Poor Boy Blues“ arg nach Dire Straits. Don Gibsons „Sweet Dreams“ nach den Hillbillies und alles zusammen nach einem neuen Knopfler auf der Suche nach dem Alten.

Einen Mann geht seinen Weg. Und möchte noch viel lernen. Auf „There’ll Be Some Changes Made“ philosophiert er mit Atkins über das Klischee von „money for nothing“ und die „chicks for free“ und murmelt nach einem Solo seines zertifizierten Mitstreiters: „You’ve played that before“.

Mark Knopfler, One Deep River/ The Boy, 2024

Produzent/ Mark Knopfler, Guy Flechter

Label/ EMI

Während des Corona-Lockdowns ging Mark Knopler in sein eigenes Studio und empfing mehr oder weniger Mitglieder seiner Band. Die Sessions waren von Freude geprägt, das hört man den Songs an. Die meiste Zeit auf sich gestellt, entwickelte er die Songs allein. Die Stärken sind Mark Knopflers Sorytelling und die Arrangements. Die Band spielte 30 Songs ein, insgesamt erschienen 25, verteilt über verschiedene Medien. 21 auf dem Album „One Deep River“ und vier weitere auf der EP „The Boy“. Weshalb welcher Song auf welchem Format landete, ist musikalisch nicht immer ersichtlich. Thematisch befasst sich die die EP mit dem Leben auf den Rummelplätzen und dem Glücksspiel Ende der 50er- und 60er-Jahre. Auf dem Album sind die Themen gemischter, von Aufbruch und Abschied („One Deep River“) über das Liebeslied („Janine“) und der Nacherzählung eines brutalen Mordes („Tunnel 13“) bis zum Reflektieren über das Erstarken der politisch extremen Rechten („This One’s Not Going To End Well“).

Manchmal sprechsingt Knopfler nicht nur, sondern versucht sich sogar als Sänger. Und er bringt es fertig, Melodien zu komponieren, die er mit seinem Stimmumfang gar nicht singen kann. So verwunderlich es ist, dass Mark Knopfler mal ein Rockstar war, so logisch erscheint es, dass er seine Rolle gefunden hat: als Barde, der musikalische Geschichten erzählt. Das ist ihm dieses Mal sehr gut gelungen.

Dire Straits, On Every Street, 1991

Produzent/ Mark Knopfler

Label/ Vertigo

Alles, was nach den superben ersten vier Alben kam, trug zum Gigantismus des Dire-Straits-Phänomen bei und drohte zwangsläufig den integren Knopfler-Purismus der Gründerzeit gehörig zu verwässern. Der wurde dafür weitergepflegt auf Marks Soloprojekten, während die Band als massentaugliche Brothers-in-Arms ihren Sturmangriff durchzogen auf die CD-Einstellfächer der schmucken Yuppie-Schrankwände und die Portemonnaies der Gelegenheitskäufer.

Das letzte Dire Straits Album „On Every Street“ kommt zweigleisig daher: Da ist eine deutliche Verbeugung vor jedwedem zahlungskräftigen Musikhörer mit einer Vorliebe für gefällige Weisen, wogegen die meisten Titel dieses Albums sich spürbar um Rückkehr zur leisen Reinheit der Anfänge bemühen („Fade To Black“ oder der Titelsong bis zum Crescendo). „Ticket To Heaven, „You And Your Friend“ und auch die brilliante Single „Calling Elvis“ mit der in bester Dylan-Manier dahingenuschelten Collage von Presley-Songtiteln wurzeln tief im Boden der J. J. Cale- und Ry Cooder-Tradition. Die Songs erweitern darüber hinaus die musikalische und textliche Enge des Country-Blues durch kluge und penible Bearbeitung in der Stille der Meisterwerkstatt des uneitlen Mark Knopfler zu einer überzeugenden Form moderner Weltmusik, deren Qualität den Ohren auch heute noch Freude macht.

Dire Straits, 1978

Produzent/ Muff Winwood

Label/ Warner Bros.

Dass das Debüt gleich ein zeitloser Klassiker wird, hat bei der Veröffentlichung niemand geahnt. Es dauerte fünf Monate, bis die Single „Sultans of Swing“ in den US-Charts Fuss fasste. Schliesslich waren die Dire Straits die Sperrspitze einer neuen Brit-Invasion mit The Police und Elvis Costello. Auf Tourneen überzeugte die Band ihr Publikum mit ihrer Live-Energie, das Album wurde weltweit bekannt. Kein Wunder, auf „Dire Straits“ ist alles schon da, was ein gutes Album vom Mark Knopfler ausmacht: die Geschichten aus dem Alltag, Songs über Probleme mit Frauen, Finanzen und der Wohnung. Dazu kommt Knopflers nuschelnder Sprechgesang und sein unverkennbares Gitarrenspiel. Der Unterschied zu heute: Die Scheibe hat an den entscheidenden Stellen den nötigen Punch, während sich heute Knopfler gerne laid back zeigt.

„Dire Straits“ ist einfach gute Musik, die man immer wieder hören kann. Auch nach 45 Jahren fällt mir dazu nichts Neues ein, ausser dass man doch mal „Live at the BBC“ hören sollte, wo die Band „Dire Straits“ vor der Veröffentlichung schon live aufgeführt hat.

Dire Straits, Communiqué, 1979

Produzent/ Jerry Wexler

Label/ Warner Bros.

Die Dire Straits haben Jahre gebraucht, um ihre erste Platte zu machen. Was dabei rauskam, weiss heute jeder. Aber als Freund Pesche im Mai 1978 daherkam und sagte: „Starke Platte, musst du unbedingt hören, fantastisch usw.“, da konnten wir nicht ahnen, dass nach einem halben Jahr Desinteresse das Album in die Charts gewählt wurde. Und da läuft „Sultans Of Swing“ eben heute noch. Ich kann verstehen, wenn einen nach dem 278. Mal die Nummer recht bekannt vorkommt, nur ist das längst kein Grund „Communiqué“ schlechter zu machen, als das erste Werk.

Schliesslich hat Mark Knopfler nun wirklich Talent, Songs zu schreiben, die in die Rockgeschichte der Klassiker eingegangen sind. Und Rockopa Jerry Wexler hat das Album hervorragend produziert. „Once Upon A Time In The West“ auch als „Spiel mir das Lied vom Tod“ bekannt gehört genauso dazu wie „Follow Me Home“ und „Lady Writer“. „Communiqué“ ist genauso gut wie die Musik auf der ersten Dire Straits Platte. Ich wünschte, es gäbe mehr solcher Alben, mit denen man einen ganzen Nachmittag lang seinen Popträumen nachhängen kann, während man alte Alben mit Beatles und Beach Boys durchblättert.

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Mark Knopfler, Sailing To Philadelphia, 2000

Produzent/ Mark Knopfler

Label/ Mercury Records

Bin gestern Abend nach langer Bahnfahrt endlich nach Hause gekommen, habe gut gegessen, mich ausgeruht und bin dann musikalisch nach Philadelphia gesegelt. Spätestens nach dem Hören dieses grandiosen Albums bin ich endgültig zu Hause angekommen.

Man könnte „Sailing To Philadelphia“ auch die Wiedergeburt aller Dire-Straits-Tugenden aus dem Geist eines Solisten nennen. Leichtfüssig demonstriert hier Mark Knopfler eine derartige stilistische Bandbreite, dass niemand mehr die Dire Straits vermisst. Sanft schwebende Jazzgitarrenlicks erinnern entfernt an Pat Metheny. James Taylor grundiert mit Knopfler den hymnischen Titelsong. Titel wie „Wanderlust“ oder „The Last Laugh“ mit Van Morrison sind atmosphärische Verdichtungen voll subtiler Klangverwandlungen. Das ganze Album hat eine seltene Abgeklärtheit und Souveränität. Das signalisiert überdeutlich auch schon das Eröffnungsstück „What It Is“ – ein raffinierter Ohrwurm, der die melodische Magie von „Sultans Of Swing“ besitzt. Allerdings ist für mich der absolute Höhepunkt „Silvertown Blues“. Allein für die perlenden Licks auf seiner „Fender“-Stratocaster, die Knopfler hier lässig aus dem Handgelenk schüttelt, muss man das Album lieben.