Wilko Johnson / Roger Daltrey, Going Back Home, 2014

Produzent/ Dave Eringa

Label/ Chess

Was für eine Paarung: Wilko Johnson, Ex-Gitarrist der britischen Pubrock-Institution Dr. Feelgood und Rocklegende Roger Daltrey (The Who). 2010 trafen sich beide an einer Preisverleihung. Sie kamen ins Gespäch und entdeckten gemeinsame musikalische Vorlieben. Wie The Who ein Jahrzehnt zuvor waren auch Dr. Feelgood vom Sound von Johnny Kidd & The Pirates („Shakin All Over“) beeinflusst. Deren Gitarrist Mick Green lieferte die Blaupause für Wilkos Stakkato-Stil.

Im Januar 2013 wurde bei Johnson Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert. Die Ärzte sagten ihm, dass er nur noch Monate zu leben hätte, und dass seine Situation hoffnungslos sei. Er entschied sich gegen eine Chemotherapie und ging auf Tournee. Und mit Daltrey ins Studio. Mit dabei Wilkos versierte Liveband (Blockheads-Bassist Norman Watt-Roy und Drummer Dylan Howe, dazu Keyboarder Mick Talbot ( Ex-Style-Council, Dexy’s.)

Das Album „Going Back Home“ enthält elf Songs, alle von Wilko Johnson, mit der Ausnahme von Bob Dylans „Can You Please Crawl Out Your Window“. Daltrey singt sich mit viel Herzblut durch diese Tour de Force. Es gibt Covers der Solid Senders-Tracks „Everybody Carrying A Gun“ und „Ice On The Motorway“, die Feelgood-Hämmer „All Through The City“ und „Keep It Out of Sight“. Wilko Johnson starb am 21. November 2022 im Alter von 75 Jahren.

Dr. Feelgood, Stupidity, 1976

Produzent/ Dr. Feelgood

Label/ United Artists

Das die Feelgoods eine gute Live-Gruppe waren, wurde ja schon oft beschrieben, und das ist auf „Stupidity“ zu hören, soweit so etwas auf einem Album möglich ist. Keine Overdubs, keine Tricks und keine Mätzchen, purer Punk-R&B, direkt, knallhart und roh. Auf so eine Gruppe hatte ich eigentlich schon seit 1966 gewartet, als wir den Begriff „Punk“ noch nicht kannten und Achtung vor den Gruppen hatten, die nicht versuchten den schwarzen Mann zu spielen, die sich selbst in der Musik ihrer amerikanischen Vorbilder wiederfanden und sich nicht einfach reproduzierten, sondern so wiedergaben, wie sie sie in sich selbst verarbeitet, umgearbeitet hatten. Man kann die Feelgoods Versionen gar nicht mit den Originalen vergleichen, man sollte auch gar nicht erst versuchen, es zu tun, denn die Typen wollen aus Southend nicht die Südstaaten der USA machen.

Lee Brilleux war auf seine Art ein brillanter Harmonikaspieler, der sich einen Dreck um Sonny Boy oder Little Walter scherte, denn die Klänge, die er hervorbrachte, passen perfekt zum Sound der Gruppe, und das allein zählt. Bei Dr. Feelgood halte ich auch die Eigenkompositionen von Wilko Johnson für hervorragend, denn sie stehen den Cover-Versionen in nichts nach. Aber was soll das Ganze: Ich könnte mich heute noch ärgern, dass ich im Juni 1979 in London keine Zeit hatte, mir Dr. Feelgood im Empire Ballroom anzusehen. Solche Dinge kann man nur versäumen, nicht nachholen.