Janis Joplin, Pearl, 1971

Produzent/ Paul A. Rothschild

Label/ Columbia

Bei ihr klingt nie etwas nur gut oder schön, aber auch nicht nur kratzig und wild. Es ist immer alles da, auf engstem Raum. Am eindrücklichsten lässt sich das an „Me and Bobby McGee“ erleben, einem Song von Kris Kristofferson, der sich in dessen eigener Version nur nett anhört und brav. Bei Janis Joplin entsteht eine ganz andere Welt. Allerdings darf man nicht vergessen, dass sie hier zum ersten Mal Musiker um sich hat, die wissen, was Dynamik ist und wie man Abwechslung in jede Strophe bringt. Den Rhythmus gibt eine akustische Gitarre vor, die im zweiten Takt einen kleinen Akzent setzt. Auch Joplin fängt zurückhaltend an, ohne Druck, doch mit dem für sie typischen Anschleifen der Töne: Sie zieht sie hinüber, von einem zu andern; am Ende der Verse lässt sie sie meist wegrutschen. Dadurch bekommt ihr Gesang etwas Ziehendes, Sehnsüchtiges, Klagendes, Wollüstiges, Dreckiges. Vorallem aber nimmt sich Joplin – zusammen mit der Band – immer wieder zurück, und dann von neuem anzuziehen und die Intensität zu erhöhen. Mal haucht sie die Silben nur vor sich hin, mal röhrt sie los, allerdings nur für Momente. So vermeidet sie jedes dampfende Einerlei, das Rockmusik oft langweilig macht.

Man hat Janis Joplin nachgesagt, sie habe alles aus dem Bauch gemacht. Das mag sein. Allerdings muss in ihrem Bauch eine ganze Menge Kopf gesteckt haben, der genau wusste, wie man es anstellt, damit ein Song anders klingt als bei allen anderen. Die Stimme allein hat sie nicht berühmt gemacht – sie setzt ihre Stimme einzigartig ein. Joplin singt nicht einfach – sie gestaltet jeden Song minutiös: von Wort zu Wort, von Vers zu Vers, von Strophe zu Strophe zu Strophe. „Pearl“ ist ihre letzte und beste Platte. Es hätte ein grandioser Anfang sein können.

Big Brother and the Holding Company, Cheap Thrills, 1968

Produzent/ John Simon

Label/ Columbia

In erster Linie ist das ein Album von Janis Joplin. Mit ihrer gutturalen, erdhaften, eindeutig vom Blues her kommenden, dennoch wandlungsfähigen Stimme dominiert sie. Wenn man sie in „Ball And Chain“, ihrer Paradenummer hört, hat man das Gefühl, dass sie ein weisses Gegenstück zu Bessie Smith oder Big Mama Thornton ist.

Die übrigen Mitglieder der Band sind nicht schlecht – einer der beiden Leadgitarristen, James Gurley nämlich, spielt teilweise unglaubliche Gitarrensoli, etwa das Intro zu „Ball And Chain“ – doch sie stehen alle im Schatten von Janis Joplin. Wahrscheinlich wäre die Band ohne Janis eine sehr gute Gruppe geworden, doch mit ihr wurde sie zur blossen Begleitband degradiert.

„Cheap Thrills“ – ursprünglich „Sex, Dope & Cheap Thrills“ benannt, doch die Firma fand den Titel zu anstössig, ist ein Album, das ich immer wieder gern höre. Aus der heutigen Perspektive betrachtet, ist es eine Zeitkapsel des Jahres 1968. Dieses Jahr markierte wohl den Moment, als Big Brother, Janis und die ganze LSD-getränkte, komplett überdrehte Frisco-Szene der 60er überkochte. Das Cover stammt übrigens von Robert Crumb und kommt auf der Vinyl-Platte natürlich besser zur Geltung.