Jimi Hendrix, All Along the Watchtower, 1968

Text/Musik/ Bob Dylan

Produzent/ Jimi Hendrix

Label/ Polydor

Jimi Hendrix nahm sich volle sieben Monate, in denen er immer wieder an seiner Coverversion dieses Bob-Dylan-Songs feilte. Als er mit dem Ergebnis endlich zufrieden war, erschien der Song einerseits auf der LP „Electric Ladyland“, anderseits als Single, und zwar als erste Stereo-Single in England überhaupt – was vielleicht das (aus heutiger Sicht etwas übertriebene) Changieren des Hauptsolos zwischen den Kanälen erklärt. Die Originalversion von Bob Dylan, die 1967 auf der LP „John Wesley Harding“ erschien, wirkt dagegen geradezu belanglos. Und was sagte der Komponist zum Hendrix-Cover?

„Es überwältigte mich, wirklich. Er hatte solch ein Talent, er konnte in einem Song Dinge finden und sie mit grosser Energie entwickeln. Er verbesserte den Song wahrscheinlich durch Pausen, die er machte. Ich habe dann eigentlich seine Version des Songs übernommen.“ Übrigens hat Dylan hier treffend analysiert, was ein gutes Cover ausmacht: Nämlich in einem Song musikalische Potentiale aufzuspüren und diese auszuarbeiten. Und Jimi Hendrix, der überhaupt keinen Grund hatte, seine eigenen Kompositionern zu verstecken, war ein Meister dieser Disziplin.

Jimi Hendrix, Smash Hits, 1968

Produzent/ Chas Chandler

Label/ Polydor

Ende der 60er Jahre war eine Single trotz des mit den Beatles, The Who, The Kinks, Pink Floyd, Moody Blues und den Rolling Stones heraufdämmernden Albumzeitalters immer noch das Mass aller Dinge. „Smash Hits“, die einzige von Hendrix noch zu Lebzeiten veröffentlichte Compilation, sollte vorallem eine Zusammenfassung seiner Seven-Inch-Juwelen – sowohl der A- als auch der B-Seiten – sein. Wobei zu dieser Zeit grosse Unterschiede in der Veröffentlichung von Singles in den verschiedenen Ländern gang und gäbe waren. So war etwa der europäische und japanische Singlehit „Purple Haze“ auf der nordamerikanischen Version von Hendrix’ Debüt-LP „Are You Experienced“ enthalten. Nimmt man die zuerst erschiene UK-Version von „Smash Hits“ als Grundlage, ist „Foxy Lady“ das einzige Stück, das nicht als Single erschien. Zumindest nicht in Europa, denn unter dem Namen „Foxey Lady“ wurde der „Are You Experienced“-Song in den USA als Single veröffentlicht. „Fire“, auch als „Let Me Light Your Fire“ bekannt, erschien 1969 in Europa als Seven Inch.

Was „Smash Hits“ als Originalalbum aber so grandios macht, war nicht unbedingt das Alleinstellungsmerkmal einiger Songs, sondern die pure Kraft und Magie von Jimi Hendrix, komprimiert auf jeweils etwa drei Minuten. Wahre „Smash Hits“ eben! Da wurde keine Zeit verschenkt, da ging es gleich zur Sache. Rockgeschichtsschreibung und Pop, abgeleitet von Popularität, erlebten hier eine seltene und stilsichere Fusion. Kernstück des Albums war Hendrix’ erste Single „Hey Joe“. Mit jenem Lied brannte er sich 1966 ins kollektive Bewusstsein der Rockmusik-Fans ein. Bis zu „Smash Hits“ gab es den Song eben nur als Single. Da diese Platte schon vor den Aufnahmen zu „Axis: Bold As Love“ konzipiert worden war, konnte sie keine Songs von diesem Werk enthalten, obwohl einige von ihnen bestens zu ihr gepasst hätten.

Jimi Hendrix, Voodoo Child (Slight Return), 1968

Text/Musik/ Jimi Hendrix

Produzent/ Jimi Hendrix

Label/ Reprise Records

Auf meine Frage, was unsere Generation eigentlich von der der Eltern unterschieden hat, kam von einem Lehrer-Freund ohne Zögern die Antwort: „Rock- und Jazzmusik; dass wir die nicht nur gekannt, sondern auch erlebt haben. Mir scheint – wenn ich mir die digitalisierte Welt der heutigen Jungen ansehe, dass da etwas verschwunden ist, eine lineare Geschichte. Dieses Verschwinden wird ersetzt durch die Abspeicherung weitgefächerter Musikfelder mit vielen Übergangserfahrungen. Wir haben damals Musik noch als ein Wachstumsprozess erfahren, der uns von der älteren Generation abgegrenzt hat“.

Für mich war, wie für viele Jugendliche in den 60er, Jimi Hendrix wichtig für den Ausbruchpower: „Cause I’m a million miles away/ and at the same time I’m right here inside your picture frame“. Voodoo Children, das waren wir alle. Eine bewegte Generation, neue Wohnformen, Bomben in Vietnam, Rassenunruhen in den USA, Undergroundkultur, Drogen und Plätze wie New York, San Francisco, London, Amsterdam. Die Musik und die Lebensweise von Jimi Hendrix waren eine Art Existenzbeweis für die Hippiebewegung und Subkultur. Mit bestimmten Leuten zu reden oder bestimmte Musik zu hören war eine Abgrenzung von der älteren Generation. Hendrix war ein Musiker, der zur richtigen Zeit die richtigen Steckdosen gefunden hatte; der Gitarrengott für die fliessenden Körperaggregatzustände, das kosmische Fühlen, Liebeslyriker, Minnesänger, Melancholiker, Märchenerzähler, Engel, indianerschwarzer Gypsy und Medizinmann.

Hendrix war keine spezielle Mischung menschlicher Sexualitätsformen, seine Elektrisch-Gitarristische Aufladung hat etwas Übergeschlechtliches, etwas Androgynes. „Voodoo Child (Slight Return)“ ist ein unglaublich mitreissendes Stück, das zwischen den Boxen hin und herfegt, dass man Schindelgefühle bekommt. Die magisch-akustische Schwingung beim Musikhören, überträgt sich auf die Eingeweide, aufs „Innere“, ist „Ekstase, ist das „mystische Erlebnis“.

Jimi Hendrix Experience, Wild Thing (Live), 1967

Text/Musik/ Chip Taylor

Produzent/ John Phillips, Lou Adler

Label/ Polydor

Es ist, wieder mal, Geschichte was am Festival im kalifornischen Monterey geschah. Angekündigt von Brian Jones legte Jimi tierisch vor, klingelte mit „Killing Floor“ jeden Freak mit tausend Phones aus den Haschischträumen. Von Track zu Track erklang ein Sound aus immer neuen Räumen. Die Leute lauschten bass erstaunt, sahen die Federboa fliegen, die blutigroten Beine sich wie die orange Brust verbiegen. Jimi spielte meisterlich! Dem Zauber eines Magiers gleich gebot er allen Tönen, die Bühne ward zum Himmelsreich, erfüllt vom Klang des Schönen. Er wandte sich ans Publikum, gestand mit leiser Stimme, er brächte jetzt sein Liebstes um, kein Opfer wäre schlimmer. Er liess die Gitarre heulen, begann in „Wild Thing“ von den Troggs die Verstärker zu zerbeulen, stiess die Fender in die Box, klemmte sie in seine Schenkel, nahm den Vibratorarm als Henkel, legte die Gitarre flach, küsste ihren Körper, bespritzte sie noch mannigfach und setzte sie in Flammen.

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Jimi Hendrix, Belly Button Window, 1971

Text/Musik/ Jimi Hendrix

Produzent/ Jimi Hendrix

Label/ Reprise

In „Belly Button Window“ betreibt Jimi Hendrix eine Art Nabelschau. Durch sein „Bauchnabelfenster“ guckt er aus dem schwangeren Bauch seiner Mutter nach draussen, sieht dort nur sorgenvolle Gesichter und fragt sich, ob seine Gesellschaft da draussen möglicherweise unerwünscht sein könnte. Er versichert seiner Mutter, dass er, falls sie ihn jetzt im Moment nicht brauchen könne, kein Problem damit hätte, schnurstracks wieder ins Reich der reinen, körperlosen Geistigkeit zurückzukehren.

Und als er der Mutter ins innere Ohr flüstert, dass es heutzutage für alles eine Pille gäbe, für Krankheiten, für ein aufregenderes Leben und eben auch für Abtreibungen, fällt ihm ein, dass sie dafür wahrscheinlich schon etwas zu spät dran ist. Also findet er sich damit ab, doch auf die Welt zu kommen, und zwar, wie er seinem Vater versichert, ungeachtet einer Welt, die von Liebe und Hass geprägt ist. Und der lieben Mutter prophezeit er: „Im gonna eat up all your chocolates“.

Er wird also all ihre Schokolade aufessen. Das ist die Rache des kleinen Mannes dafür, dass man ihn in Welt gesetzt hat.