Steve Earle and The Del McCoury Band, The Mountain, 1999

Produzent/ Steve Earle, Ray Kennedy, Ronnie McCoury

Label/ E-Squared

Wer sich stilistisch nicht festlegt, stösst auch mal an Rändern auf Überraschungen. So ist es mir beispielsweise entgangen, dass Steve Earle mit „The Mountain“ eines der schönsten, intensivsten Alben auf dem Terrain der Country-Musik veröffentlicht hat, das ich seit langem gehört habe. Ich schreibe dies in aller Bescheidenheit, weil ich nicht sehr viele Country/Bluegrass-Veröffentlichungen kenne.

Um Steve Earle gibt es viele Geschichten und Legenden, etwa, dass der Mann jahrelang dem Heroin und Alkohol verfallen war und wegen illegalem Waffen- und Drogenbesitz im Knast landete. Doch all das ist nicht nötig, um diese rauh gegerbte Version von Country einfach als Musik geniessen zu können. Vieles, was von Seiten des Pop und Punk versucht wurde, Country und Bluegrass hoffähig zu machen, beispielsweise von den Pogues und den Violent Femmes erübrigt sich anhand von dieser Platte, die bereits als Country-Platte (also: als Country-Platte von älteren Herren in Anzug und mit Krawatte, Herren mit Country-Sozialisation) so gebrochen und ruppig daherkommt, wie wir es uns von diesem Genre stets gewünscht haben. Für mich eine späte Entdeckung aus Nashville, die zeigt, dass es auch noch Leute in diesem Genre gibt, die etwas anderes als Trucker-Romantik liefern.

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Steve Earle, I Feel Alright, 1996

Produzent/ Ray Kennedy, Richard Bennett, Richard Dodd

Label/ Warner Bros.

Steve Earle kam gerade aus dem Gefängnis nach einer längeren Drogenphase und hatte einiges auf dem Herzen, was er unbedingt musikalisch sagen wollte. Dieser satte, abgezockte Gitarren-Sound, die teils grimmigen, teils sentimentalen Texte vermitteln eine unmittelbare Kraft – besser geht’s kaum. Man glaubt dem Ex-Junkie alles, sogar wenn er „I Feel Alright“ singt. Sein Countryrock ist wie ausgemergelt: kein Hall, kein Schnörkel. Kunst und Künstler sind eins, denn Earle hat viel durchgemacht. Nach dem Akustikalbum „Train A-Comin“ von 1995, das zum Bewegendsten seit Neil Youngs „Tonight’s The Night“ gehörte, hat er die Strassenseite gewechselt. Hier scheint die Sonne, doch Earle erinnert sich natürlich nur an den Schatten.

„Cocaine Cannot Kill My Pain“ heisst ein Lied, und eines nennt sich „The Unrepentant“, nach dem, der nichts bereut, und schliesslich taucht der Teufel zum Showdown persönlich auf: „You Got Your Pitchfork And I Got My Gun“. Einer wie Steve Earle muss die Drecksarbeit machen. „Wenn die Welt untergeht“, sagt Earle, „werden drei Dinge übrigbleiben: die Kakerlaken, Keith Richards und ich.“ Nicht die schlechteste Gesellschaft.

Steve Earle, I’ll Never Get Out Of This World Alive, 2011

Produzent/ T-Bone Burnett

Label/ New West

Steve Earle hat sein 14. Studioalbum nach dem letzten Song von Hank Williams benannt. „I’ ll Never Get Out of this World Alive“ klingt eher melancholisch als verzweifelt: ein schönes, erstaunlich ruhiges Album für einen Sänger, der so wütend werden kann. Auf vielen Stücken setzt Steve Earle auf Instrumente, die auch Hank Williams gefallen hätten – etwa Fiedel und Steelgitarre. Dabei geholfen hat ihm T-Bone Burnett – als Produzent sehr gefragt, wenn es darum geht, neue Songs wie ganz alte klingen zu lassen, aber ohne Kitsch und Nostalgie.

Das Album immer klar konturiert und in warmen, natürlichen Klängen gehalten, hat Nashville, Tennessee, ebenso viel zu verdanken wie New Orleans, Louisiana, oder Clarksdale, Mississippi. Es kombiniert die Sehnsucht der Country-Musik mit der Trauer des Blues und verbindet beide immer wieder mit New Orleans. Gleich drei der elf Songs beziehen sich auf die Stadt, darunter das bewegende „The City“, in dem Earle singend verspricht, dass „diese Stadt nicht weggespült werden wird“. In einfachen, starken Bildern evoziert er die Musik von New Orleans, das Wasser, die Marmorgräber, die Quartiere, die Menschen. Das Schlimmste sei nicht, was New Orleans passiert sei, sagt er in Anspielung auf den Hurrikan „Katrina“ 2005 und der Ölpest von 2010: „Das Schlimmste ist, wie Amerika darauf reagiert hat“: Es habe die Stadt vergessen, der es so viel verdanke.