
The Beach Boys, Pet Sounds, 1966
Produzent/ Brian Wilson
Label/ Capitol Records
Als Autor, Musiker, Produzent – als Gehirn der Beach Boys stand Brian Wilson in den Sechzigern enorm unter Druck. Praktisch im Alleingang musste er bis zu drei LPs pro Jahr vorlegen. Erste Konsequenz: der Rückzug aus dem Tourgeschäft. Brian Wilson flüchtete sich ins Studio, wie er sich später in sein Zimmer flüchtete – und in Drogen aller Art. Es gehört zur Ironie des kalifornischen Albtraums, dass einige der besten Songs der Beach Boys als Zeugnisse einer schweren psychischen und physischen Krise verstanden werden müssen.
Einen seiner Geniestreichs pflegte Wilson später auf Tour so anzukündigen: „God Only Knows“. Paul McCartney hat mal gesagt, das sei sein Lieblingssong.“ Nun muss man weder an den Beatle noch an Gott glauben, um „God Only Knows“ schön zu finden. Der Song eröffnet die zweite Seite des Albums „Pet Sounds“. Es erschien im Mai 1966 und war ein Quantensprung in der Popmusik, wie fünf Monate davor „Rubber Soul“ von den Beatles, wie drei Monate danach „Revolver“ wieder von den Beatles. Nie zuvor passierte im Pop in kürzester Zeit mehr Bahnbrechendes als zwischen Ende 65 und Mitte 67. Die Beatles wie die Beach Boys befanden sich in ihrer grössten Phase.
Aber Brian Wilson entfernte sich immer mehr von der Welt. Seine Experimente und Exzesse waren nicht das Resultat einer wie auch immer gearteten Emanzipation. Wilson mutierte zum eskapistischen, kontextlosen Irren und stopfte alles in sich hinein, was er kriegen konnte. Erst in den Neunzigern kam er wieder auf die Beine, blieb aber nachhaltig beschädigt. In seinen Memoiren „ I Am Brian Wilson“ schrieb er später: „Der Teil von mir, der sich mit Musik beschäftigte, war sehr viel reifer, als es meinem Alter entsprach.“ Er vergass aber hinzuzufügen, dass für den Rest seines Lebens der Teil von ihm, der sich nicht mit Musik beschäftigte, weitaus unreifer blieb, als es seinem Alter entsprach.

