Bob Dylan, Like A Rolling Stone, 1965

Text/Musik/ Bob Dylan

Produzent/ Tom Wilson

Label/ Columbia

Tom Wilson, der schwarze Aufnahmeleiter bei Columbia, der bereits Jazz-Avantgardisten wie John Coltrane und Cecil Taylor produziert hatte und Simon und Garfunkel gegen deren Willen erfolgreich mit einem Rocksound unterlegte, war verantwortlich, als Bob Dylan sein „Like A Rolling Stone“ aufnahm. Der 24-jährige Folk- und Protestsänger wollte nach der England-Tournee sein Image loswerden, hatte daran gedacht aufzuhören und Schriftsteller zu werden. Zehn, zwanzig Seiten lang hatte er sich die Wut vom Leibe geschrieben, die Frustration, immer wieder als politischer Barde gehandelt und zur Weltlage befragt zu werden, hatte sich sogar als „mathematischer Sänger“ definiert, um der Rolle des „Weatherman“ zu entkommen. „Like A Rolling Stone“ brachte ihn diesem Ziel ganz nah.

Aggressiv und boshaft versetzt Bob Dylan ein Mädchen – es wird angenommen, dass damit die Schauspielerin Edie Sedgwick gemeint ist – ins Märchen – „Once upon a time you dressed so fine / You threw the bums a dime in your prime, didn’t you?“, um dann in die Gegenwart der Zukunft zu springen – „Now you don’t seem so proud / About having to be scrounging for your next meal.“ Man hatte uns damals gewarnt vor all den Gefahren, den Konsequenzen, die hinter jenem Horizont liegen, den manche Swinging Sixties, manche Utopie nannten: „When you got nothing, you got nothing to lose.“ Und trotzdem war es möglich eine Freiheit zu fordern im Bewusstsein der Gefahr, sich wie ein „Rolling Stone“ zu fühlen. Der Song funktioniert, weil er nur im Moment existiert. Er beginnt mit einem Trommelschlag, steht wie ein Monolith im Raum, betäubt jede Analyse und verlöscht mit dem letzten Ton. Repeat! Der Song als poetisches Manifest, ekstatisch und inszeniert.