Talking Heads, Once in a Lifetime, 1981

Text/Musik/ David Byrne, Brian Eno

Produzent/ Brian Eno

Label/ Sire

Der Song hat eine wunderbar eingängige Hookline. Ein perfekte Kombination, mit der es den Talking Heads gelang, so ziemlich alle irgendwo abzuholen – egal, ob zum Tanzen oder Zuhören. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der in der Lebensmitte aus seiner konsumbetäubten Umnachtung erwacht, einen Blick über das Hamsterad gesellschaftlicher Erwartungen und Normen hinaus wirft und sich fragt: „Wie zum Teufel bin ich hierhergekommen?“ Doch David Byrne wäre nicht David Byrne, wenn er die ganze Angelegenheit nicht völlig absurd und hochkomisch verpacken würde. Zunächst zählt er auf, wo man sich nach Jahren der Quasi-Amnesie überall wiederfinden kann: an einem anderen Ort der Erde, in einer Bretterbude, am ehesten aber in einer stereotypen Mittelklasseidylle – hinter dem Steuer eines grossen Autos, in einem wunderschönen Haus mit einer wunderschönen Frau. Dann folgt eine Reihe von Frage, die die existenzielle Verunsicherung der Lebenskrise blosslegen: Ist das überhaupt mein Auto? Ist das überhaupt meine Frau? Wird sich bis zu meinem Tod überhaupt noch etwas ändern?

Es ist grossartig, wie Byrne in seinem Sprechgesang diese Verwirrung inszeniert. Er war bekannt dafür, sich auf seine Gesangspartien wie ein method actor vorzubereiten – ein Schauspieler, der sich in seine Rollen so intensiv wie möglich einfühlt. Halb verzweifelt, halb predigend gipfelt sein Gesang schliesslich an der existenziellsten Frage überhaupt: „Mein Gott, was habe ich getan?“  Und dann kommt der Refrain: Das einzig Zuverlässige ist, dass das Wasser fliesst. Das mag abstrus klingen, kann aber ungemein beruhigen. Ob unterirdisch oder überirdisch, selbst auf dem absoluten Tiefpunkt strömt es dahin wie die Tage, im immerwährenden Kreislauf. Es ist diese Wassermetaphorik, die den gesamten Song umfliesst, was auch die blubbernde, sprudelnde Keyboardmelodie unterstreicht und ebenso die Bassfigur („Didadap-dadodopp“), die sich im ganzen Stück nicht verändert.

Mink DeVille, Cabretta, 1977

Produzent/ Jack Nitzsche

Label/ Capitol

Künstlerische Aktivitäten finden nie im Vakuum statt, und das war auch in diesem Falle so. Die Band Mink DeVille fing Anfang der Siebziger in San Franciscos Schwulenbars an. Damals bestand sie aus Willy DeVille selber, dem Drummer Marfred Allen und dem Bassisten Ruben Siguenza. Dann ging die Band nach New York und bildete dort mit das Fundament der CBGB-Szene. Ihre drei Stücke auf dem „Live at CBGB’s“-Sampler führten zu einem Vertrag mit Capitol, und mit den neuen Mitgliedern Louis Erlanger (Gitarre) und Bobby Leonards (Keyboards) ging man ins Studio.

Ende 1977 erschien die erste Platte auf dem Markt, produziert wurde sie von Jack Nitzsche. Das Album verkaufte sich relativ gut, worauf Mink DeVille in den Staaten und besonders in Europa auf Tour ging. In Europa verglich man Willy DeVille bereits mit Eddie Cochran und Gene Vincent, und die Band musste 36 Termine in 38 Tagen spielen. Die verschärften Titel „Cadillac Walk“ und „Spanish Stroll“ wurden leider nirgendwo die Nr. 1, aber De Villes Kombination von Rhythmus und Romantik, das Ganze mit ein paar spanisch/mexikanischen Zutaten verfeinert, kam sowohl bei den NewWavern als auch bei den Altrock-Fans am.

Tom Waits, Jersey Girl, 1980

Text/Musik/ Tom Waits

Produzent/ Bones Howe

Lebel/ Asylum

In den Siebziger hatte Tom Waits eine künstlerische Persona kultiviert, die man sich bei Tageslicht nicht vorstellen konnte. Er war der Poet der verrauchten Bars, der schlecht geschminkten Kellnerinnen, der klapprigen Autos und angebrannten Hamburgers. Wie die Beatautoren Jack Kerouac und Charles Bukowski zelebrierte er ein mythisch überhöhtes Kalifornien, das mehr mit Hollywoods Film Noir zu tun hatte als mit der Glitzerwelt der Siebziger. Musikalisch zeigte er sich dabei durchaus wandlungsfähig, spielte Pianoballaden mit Orchesterbegleitung, Barjazz, R&B, rockige Stücke. Doch die Stimmung seiner Lieder blieb immer ähnlich, was natürlich auch an seiner unverkennbaren Schmirgelstimme lag, die immer nach Whisky und Zigaretten klang.

Mit dem Album „Heartattack And Vine“ nahm Waits dann Abschied von seiner Nachtschwärmer-Figur, allerdings nicht ohne ihr noch ein letztes grandioses Lebewohl hinterherzuschicken: die Ballade „Jersey Girl“ war wie die Quintessenz der langjährigen Zusammenarbeit zwischen Waits und dem Produzenten Bones Howe. Das Lied beginnt mit der Erwähnung der „Whores on Eighth Avenue“, um sich dann in Vorfreude auf den baldigen Kirmesbesuch in New Jersey zu ergehen; im „Sha la la“-Chorus wird das Stück geradezu euphorisch, die sparsame Begleitung unterstreicht hier Waits’ leidenschaftliches Geknarze auf besonders effektive Weise. Bald darauf coverte Bruce Springsteen „Jersey Girl“.

Black Sabbath, 1970

Produzent/ Roger Bain

Label/ Warner Brothers

Wann wurde Jazz geboren, wann Folk? Keine Ahnung. Aber das Geburtsdatum von Metal ist ziemlich exakt bekannt. Freitag, der 13. Februar 1970. An jenem unheilvollen Tag soll – es klingt zugegeben schon ein bisschen nach Legende – „Black Sabbath“ von Black Sabbath erschienen sein. Das erste Lied darauf heisst „Black Sabbath“. Hier wird also nicht lang um den heissen Brei herum musiziert. Die Kirchenglocke schlägt, Donner grollt, dann bricht ein schweres Riff herein, und sofort ist „das verbotene Intervall“, der Tritonus, zu hören. Bald darauf ertönt gequält dröhnender Gesang. Klar – man kann sagen, bei älteren Aufnahmen von Vanilla Fudge, den Sonics oder den Beatles zeichnete sich auch etwas Metalliges ab. Aber bei „Black Sabbath“ ist genaues Hinhören nicht vonnöten. Alles ist nach wenigen Sekunden offensichtlich. So etwas war bisher nicht da, und beim Hören bekommt man Angst. Den lustvollen, um nicht zu sagen spassigen Höhepunkt erreicht diese Angst am Schluss der zweiten Strophe, wenn Ozzy Osbourne nur noch „Oh no, no please God help me!“ schreien kann.

Die Platte „Black Sabbath“ stellt das radikalste Stück an den Anfang. Sicher auch in „N.I.B.“ kommt Luzifer vor, und in „A Bit of Finger“ eine sehr gespenstische Maultrommel. Aber Ersteres ist im Grunde ein lüpfiger Rocksong, und Zweiteres dauert nur eine Minute. Ansonsten ist das eine instrumental dominierte, gelegentlich sogar jazzig klingende LP, die mit ihrer Fülle von Gitarren- und Bassriffs nur erahnen lässt, wohin die Reise der Band noch hingehen sollte. Die ausfransenden Rockstücke tragen viel Freiheit in sich. Gerade so, als wäre Black Sabbath der überfallartige Beginn selber unheimlich gewesen. Sie wussten es, alle ahnten es: Der Metal war über die Welt gekommen. Niemand konnte ihn mehr austreiben.

The Aynsley Dunbar Retaliation, 1968

Produzent/ Ian Samwell

Label/ Liberty

England Ende der 60er Jahre. Das Blues-Revival war voll im Gang. Aynsley war ein etwas seltsamer Vorname und gehörte zu Dunbar. Ein Schlagzeuger. Hatte natürlich bei John Mayall und Alexis Korner gespielt. Und Dunbar war gut. Er spielte mit Swing, anstatt zu dreschen. Er spielte präzise. Gute alte Schule eben. Und mit seiner Retaliation holte er vorallem bei den langsamen Blues atmosphärisch viel raus.

Dunbar war der Chef der Band, musikalisch tonangebend, spielte sich aber nicht in den Vordergrund. Den Gesang überliess er seinen Gitarristen John Moorshead und Victor Brax. Den Bass bediente unspektakulär ein gewisser Alex Dmochowski. Die Songs bewegten sich im üblichen Bereich: Standards, die manchmal leicht bearbeitet waren und ein paar Eigenkompositionen gegen Alkoholmissbrauch und Liebesverlust. Was die Kenner damals faszinierte, war die musikalische Beherrschung des Bluesidioms, die selbst bei grossen Namen nicht immer selbstverständlich war. Der Trend ging im Gefolge der Yardbirds und der Stones eher ins Krachig-Grobe.

Es dürfte niemand wundern, dass es die Gruppe schwer hatte. Die Reaktionen auf das erste Album waren noch überwiegend positiv, aber beim zweiten „Doctor Dunbar’s Prescription“ ging es bergab. Der Rest ist schnell erzählt. Die Band hielt noch ein weiteres Album durch bis 1969, dann ging man auseinander. Dunbar brachte noch eine LP heraus, „Blue Whale“, bevor er bei Zappa anheuerte.

The Beatles, A Day in the Life, 1967

Text/ Musik/ Lennon – McCartney

Produzent/ George Martin

Label/ Parlophone

Dass daraus ein spezielles Stück werden könnte, wussten die Beatles offenbar selbst recht gut, schon während der Produktion. Am vierten und letzten Tag der Aufnahme, dem 10. Februar 1967, luden sie ein etwa 40-köpfiges Orchester und viele Freunde ins Studio ein, quasi als Zeugen des historischen Augenblicks. Das Video zeigt einen Zusammenschnitt von Hobbyaufnahmen dieses Happenings. In den vollgestopften Abbey Road Studios haben sich etliche illustre Gäste eingefunden, Donovan, Mick Jagger, Keith Richards, Graham Nash, Brian Jones und Marianne Faithfull und noch viele andere. Keiner von ihnen sieht wirklich gut aus. Unfassbar, dass George Martin und die Musiker überhaupt irgendetwas Brauchbares gespielt haben sollen auf dieser Party. Doch zeigt der imperfekte, freudlose Trash dieser Bilder einen guten Kontrast auf zu dem makellos perfekt zusammengebauten Soundtrack.

Das Lied beginnt und endet in E-Dur. Am Anfang tönt es wie eine private Ballade. Dabei wächst das Geklimper der Akustikgitarre direkt aus dem lärmigen Finale von Sgt. Pepper’s heraus, so, als sei da nach dem Fest noch einer aus der Band sitzen ​geblieben. Und noch einer: der Pianist. Und ein Dritter kommt dazu, der Bassgitarrist, und ein Vierter, der die Rumba-Rassel bedient, und so fort. Das Ende des Liedes kommt, im Gegenteil, enorm laut und öffentlich daher. So, wie die grossen Symphonien von Beethoven enden: mit mindestens einem fetten Fortissimo-Schlag. Fünf Pianisten haben diesen E-Dur-Akkord angeschlagen im Studio, an drei Klavieren und einem Harmonium. Was dann gedubbt und verdoppelt, verzerrt und moduliert wurde und eine Ewigkeit nachzuhallen scheint, bis nur noch das Rauschen der Klimaanlage des Studios zu hören ist – oder man sich einbildet, es zu hören. Aussserdem soll da noch, jedenfalls hat Lennon das behauptet, die für Menschenohren unhörbar hohe Frequenz einer Hundepfeife mit im Spiel sein, „damit auch Hunde etwas davon haben“. Vielleicht ist das aber nur erfunden, eine Beatles-Legende, eine der unzähligen.

Dave Davies, Death of a Clown, 1967

Text/Musik/ Dave Davies

Produzent/ Dave Davies, Ray Davies

Label/ PYE

Dass Dave Davies von den Kinks auch ein begabter Songschreiber war, das beweist sein herrlich trauriger Hit „Death of a Clown“. Leider war da die notorischerweise diffizile Beziehung zu seinem Bruder Ray. Der spielte sich als Egomane auf, komponierte alle Songs und hielt auch die geschäftlichen Fäden in seinen Händen. Bei seinen Eltern zu Besuch, setzte sich der junge Dave schon etwas angetrunken ans Klavier und stimmte ein spontanes Lied an. „Let’s all drink to a death of a clown“. Wenige Augenblicke später wurde ihm plötzlich bewusst, dass er gerade einen Hit geschrieben hatte. Er beschloss, seinem Bruder eins auszuwischen und veröffentlichte den Song als Solosingle. „Death of a Clown“ wurde ein Hit – und für Dave Davies ein kurzes Intermezzo als Solokünstler.

In in dem Lied geht es nicht nur um den Tod eines Clowns, sondern um den Niedergang einer ganzen Zirkuskultur, die durchaus Symbolcharakter für das Leben im Allgemeinen hat. Der alte Wahrsager liegt tot auf dem Boden, es gibt sowieso niemanden mehr, der sich wahrsagen lassen will. Und selbst die minimalste Form des Zirkuslebens, der Flohzirkus, ist zum Scheitern verurteilt. Der Insektendompteur kriecht auf den Knien herum und sucht wie wild nach entfleuchten Flöhen. In diesem Sinne: „Let’s all drink to the death of the Clown“ – Dave Davies war gerade mal 20 Jahre alt, als der Song ein Hit wurde, vielleicht hat sich inzwischen jemand gefunden, der ihm geholfen hat „to break up this crown“, d.h. den Kronkorken von der Flasche zu kriegen.

Marianne Faithfull, Broken English, 1979

Produzent/ Mark Miller Mundy

Label/ Island

Es war das Wahnsinns-Comeback einer Sixties-Ikone. Einst hatte sie ihren Ehemann für Mick Jagger verlassen und eine nicht unerfolgreiche eigene Gesangskarriere gestartet. Daneben war sie durch berühmte Affären aufgefallen, unter anderem mit Keith Richards. Dann der Absturz: Schwere Drogenprobleme, ein Selbstmordversuch, mit Marianne Faithfull rechnete niemand mehr. Umso erstaunlicher als 1979 mit „Broken English“ ein neues Abum von ihr erschien. Und nicht nur das: Es ist ein faszinierendes Album. Mit New-Wave- und Synthesizer-Klängen musikalisch am Puls der Zeit, textlich vielfältig, aufrüttelnd, zornig – die nun kratzige, fast gebrochene Stimme der Sängerin tat ein Übriges.

Der Sound ist sparsam, ungemein räumlich und isoliert angelegt. Die Songs sind autobiografisch, betroffen vorgetragen, pendeln zwischen ohnmächtiger Wut „Broken English“ und Resignation „Guilt“ nehmen Bezug auf Marianne Faithfulls Zickzackkurs und Bemühen einen Platz im Leben zu finden. „I’m just a curious child“ heisst es auf „Guilt“, für mich dem stärksten Song des Albums neben „Broken English“, zu dem sie angeblich die deutsche Terroristenszene inspiriert hat, und „Working Class Hero“, das zornige mit dem von Lennon formulierten Irrtum der 60er Jahre von wegen Gleichheit abrechnet. Marianne Faithfulls Stimme klingt naiv, verletzlich, mädchenhaft verloren, dann wieder trotzig angreifend, etwa auf „Why D’ya Do It“. Das Album berührt, vermittelt Morbidität, ohne desolat und paranoid zu wirken. „Guilt“ hämmert mit seinem hypnotischen Refrain ebenso im Kopf weiter wie „Broken English“ .

Das Video zu „Broken English“ hatte der englische Film- und Theaterregisseur Derek Jarman aus Wochenschauaufnahmen und Nachrichtensendungen zusammengeschnitten; marschierende Nazikolonnen zu sowjetischen Ehrentribünen, prügelnde englische Polizisten zu brennenden Häusern des Bombenkriegs. Kein Wunder, dass die Plattenfirma unzufrieden bis schockiert war, es passte nicht ins jungfräuliche MTV-Format.

Bruce Springsteen, Downbound Train, 1984

Text/Musik/ Bruce Springsteen

Produzent/ Jon Landau, Chuck Plotkin

Label/ Columbia

Mit „Nebraska“ war’s ganz einfach: Springsteen schien vom Mythos des Amerikas der Pioniere Abschied zu nehmen, wenn auch trauernd. Aber mit „Born in the U.S.A.“ war die Sache erstmal ausgestanden. Die lärmigen Stücke langweilen schnell, weil Harmonien, Akkorde und die Melodieführung sich zu sehr gleichen. Das Album „Born in the U.S.A.“ machte Springsteen zum Stadionmusiker und setzte ihn dem Verdacht aus, den Reagan’schen Patriotismus zu feiern, gegen den er ansang. Im Hintergrund seiner Konzerte wehte die amerikanische Flagge. „Fahnen sind sichtbar gemachter Wind“, hat Elias Canetti geschrieben, und der Wind, der durch Springsteens Flagge wehte, kam aus gegensätzlichen Richtungen.

Am meisten gefällt mir „Downbound Train“, eine Verlassensballade im Tonfall getragener Verzweiflung, langsam und schwer, die letzte Strophe erzählt wie eine Kurzgeschichte, frei von Ironie, grossartig in ihrem Pathos: „ Last night I heard your voice/ You were crying, crying, you were so alone/ You said your love had never died/ You were waiting for me at home/ Put on my jacket, I ran through the woods/ I ran ‚til I thought my chest would explode/ There in a clearing, beyond the highway/ In the moonlight, our wedding house shone/ I rushed through the yard/ I burst through the front door, my head pounding hard/ Up the stairs, I climbed/ The room was dark, our bed was empty/ Then I heard that long whistle whine/ And I dropped to my knees, hung my head, and cried“.

Es ist, als würden diese Worte sagen, dass sich nichts ändern wird, niemals, was auch immer der Sänger träumt und hofft und denkt.

Lou Reed, This Magic Moment, 1995

Text/Musik/ Mort Shuman, Doc Pomus

Produzent/ Lou Reed

Label/ Rhino Records

„This Magic Moment“ war 1960 – mit Ben E. King als Leadsänger – ein Hit für die Drifters. 1968 gab es eine schnulzige Coverversion von Jay and the Americans und 1969 wurde der Song nochmals von Marvin Gaye interpretiert. Lou Reed hatte „This Magic Moment“ 1995 aufgenommen für das dem 1991 verstorbenen Songschreiber Doc Pomus gewidmete Tribute-Album „Till The Night Is Gone“.

Reed versuchte den Song, und das von den Drifters verbreitete Gefühl des Wunderbaren, aus der dumpfigen Grube des Hipster-Zynismus herauszuholen, doch er war nur mit halbem Herzen bei der Sache – seine Performance war mehr ein Studie in Sachen Coolness, als ein Unsere-Liebe-wird-nie-enden-Versprechen. Reeds Aufnahme erwachte erst ein Jahr später zum Leben, als David Lynch sie heranzog, um jenen Moment in „Lost Highway“ zu untermalen, wo die von Patricia Arquette gespielte Gangsterbraut in einer Autowerkstatt einem schwarzen Cadillac-Kabrio entsteigt und, in Superzeitlupe, an Balthazar Gettys Mechaniker vorbeigeht, der von ihrem Anblick völlig überwältigt ist. „Nimm dich in acht!“ sagt der Song, so wie Reed ihn in die Saiten seiner elektrischen Gitarre drischt. „Du wirst das Gesicht dieser Frau nie mehr vergessen! Lebend wirst du aus diesem Song nicht herauskommen“.