Laurie Anderson, Mister Heartbreak, 1984

Produzent/ Laurie Anderson, Bill Laswell, Peter Gabriel

Label/ Warner Bros.

Laurie Anderson ist und bleibt ein unvergleichliches Phänomen. Einfach unmöglich, die Empfindungen in Worte zu fassen, die einen überkommen, wenn man mit gespannter Aufmerksamkeit ihre intelligent dargebrachten, poetischen Reflexionen verfolgt. So erging es mir jedenfalls vor vielen, vielen Jahren als mich Laurie Anderson mit „Mister Heartbreak“ zu begeistern vermochte.

Das Album entführt uns quer um den Erdball in vielerlei exotische, paradisisch anmutende Schauplätze. Statt verschlüsselter (Wittgenstein)-Philosophie wie auf „ Big Science“ gibt es seltsame Fairy-Tales und gelegentlich Shakespeare- und Herman Melville-Zitate. Und alles wird plastisch vor Augen geführt. Eine effektvolle, ungeheuer farbenreiche Instrumentierung komplettiert die magische, märchenhafte Gesamtatmosphäre, in der Laurie Anderson mit ihrem faszinierenden Sprechgesang sich als Kommentatorin ihrer eigenen bizarren Phantasie erweist.

Die aufwendige Produktion von „Mister Heartbreak“ entstand in Zusammenarbeit mit Bill Laswell, darunter das vielschichtige „Sharkey’s Day“ zu Beginn. „Excellent Birds“, ein kurzer eingängiger Song wurde mit Peter Gabriel geschrieben, der sich darauf den Gesang mit Laurie teilt. Andere Mitwirkende sind Adrian Belew, Anton Fier, Dolette McDonale, Daniel Ponce, Nile Rodgers und Phoebe Snow – das letzte Stück „Sharkey’s Night“ wird von William Burroughs rezitiert.

Laurie Anderson, Home Of The Brave, 1986

Produzent/ Laurie Anderson, Roma Baran, Nile Rodgers

Label/ Warner Bros.

Das Album „Home Of The Brave“ enthält den Soundtrack zum gleichnamigen Konzertfilm, in dem das wandelnde Kunstwerk Laurie Anderson ihre eigene Bühnenperformance dokumentiert. Das ziemlich seltsame Multimediaspektakel aus Musik, Schauspielerei, Film, visueller Projektion und choreographiertem Tanz war damals neu. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Albumfassung die optischen Elemente nicht wiedergeben kann, aber auch so bleibt es ungewöhnliche Musik, die hängen bleibt.

Unter Mitwirkung u.a. von Bill Laswell, Adrian Belew und Nile Rodgers glänzt Laurie Anderson hier als blitzgescheite Analytikern des amerikanischen Alltags. Zu experimentellen und doch eingängigen Elektropop-Klängen erzählt sie tiefgründige und unterhaltsame Geschichten über Politik, Sprache, Liebe und die schöne neue Medienwelt am Ende des 20. Jahrhunderts. So handelt etwa „Language Is A Virus“ von den Kommunikationsproblemen ihrer Landesleute, die alle dieselbe Sprache sprechen, sich aber trotzdem nicht immer verstehen (was natürlich auch auf andere Nationen übertragbar ist). Und „Sharkey’s Night“ entlarvt die fernsehgerechten Reden der heutigen Politiker als leere Worthülsen.

Laurie Anderson, O Superman, 1981

Text/ Musik/ Laurie Anderson

Produzent/ Laurie Anderson

Label/ Warner Bros.

Laurie Andersons Stücke haben oft etwas mit Kartographie, Geographie zu tun: Ihr Blick „From The Air“ erinnert an die Amerika-Beschreibung einer Getrude Stein. Sie betrachtet die Linien, Wege, Striche zwischen Städte, Menschen und Telegraphenmasten, zwischen Wörtern und Sätzen, Landkarten, Muster, Texturen, Texte, Grammatik. Ihr berühmter Satz aus „O Superman“ „Cause when the money is gone/ There’s always justice/ and when justice is gone/ there’s always force/ and when force is gone/ there’s always mom/ Hi Mom!“ ist nicht nur die Superauflösung gordisch-amerikanischer Psycho-Knoten, sondern auch das Superbeispiel für Laurie Andersons Gedankentechnik. Der Song war eine Antwort auf die Iran-Contra-Affäre und den politischen Einfluss der USA, nimmt aber textlich auch Bezug auf Kommunikation und Technologie, zum Beispiel in Form von Anrufbeantwortern, sowie mütterliche Liebe oder auch Nicht-Liebe. Stilistisch collagiert Laurie Anderson in dem Song Jules Massenets Arie „O Souverain, o juge, o père“ aus dem Jahr 1885 mit Saxophonklängen, Stimmloops und Vogelgezwitscher.

„O Superman“ dauert achteinhalb Minuten. Und man kann mir glauben, dass dies ein Pop-Song ist. Laurie Anderson hat nämlich ziemlich früh, vielleicht früher als Brian Eno oder die Talking Heads, erkannt, dass die Hitparade das beste Vehikel für einen neuen Blick auf die wimmelnde Welt ist.