Tedeschi Trucks Band, Made Up Mind, 2013

Produzent/ Jim Scott, Derek Trucks

Label/ Masterworks

Mit ihrem Debüt „Revelator“ verpasste die Tedeschi Trucks Band einer bewährten Formel ein Up-date: Memphis-Soul meets Southern-Rock mit energischen Spiel und starken Songs. Letztere stammen von Susan Tedeschi, einer Künstlerin, die sich während der letzten zwei Dekaden als eigenständige Sängerin, Gitarristin und Songwriterin etablieren konnte, eine Art jüngere Bonnie Raitt. Spektakuläres liesse sich auch von Derek Trucks sagen. Der Mann zählt zu den virtuosesten Gitarristen der Gegenwart (The Allman Brothers Band, Derek Trucks Band).

„Made Up Mind“, ihr drittes Album, bringt die jeweiligen Stärken des Musikerpaares sehr gut zur Geltung. Jedem haarsträubenden Solo von Trucks ( z.B. am Ende des funkigen „All That I Need“ ) steht ein Gänsehaut erzeugender Moment von Tedeschi gegenüber: wie sie die bittersüsse Ballade „Calling Out To You“ singt oder in „Part Of Me“ im Duett mit Saunders Sermons die Soullady gibt. „Whiskey Legs“ schliesslich, ein brodelnder R&B-Titel, endet mit duellierenden Gitarren. Besonders gut gefällt mir der Titelsong „Made Up Mind“ und „The Storm“, ein träger Swamp-Groove über einer orientalisch klingenden Melodie, bevor er in ein psychedelisches Voodoo-Mantra mündet. Truck’s abschliessendes Solo klingt wie eine Beschwörung des Geistes von Jimi Hendrix.

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Tedeschi Trucks Band, Live From The Fox Oakland, 2017

Produzent/ Derek Trucks

Label/ Fantasy Records

„Ausserordentliche Lage“, Homeoffice, Herunterfahren des öffentlichen Lebens. Wir haben uns daran gewöhnt. Und womöglich sogar gelernt, etwas rücksichtsvoller zu handeln. Das wäre eigentlich eine bemerkenswerte Entwicklung. Doch nach dem Initial-Schock, einem verhältnismässig sorglosen Sommer und der zweiten Welle ist von dieser sorgfältigen Gestimmtheit nur noch wenig zu spüren. Wer ein Musik-Fan ist, der wird vorallem das Klangerlebnis Live vermissen. Aber es wird vermutlich noch einige Zeit des physischen Distanzierens verstreichen, bis Grossveranstaltungen wie Konzerte wieder stattfinden können. Wer hingegen online nach Ersatzmaterial für Live-Auftritte sucht, der wird hier fündig:

Nur wenige Acts bringen Blues, Rock, Soul, Funk, Psychedelia oder Jazz unter einen Hut und drücken allen ihren Stempel auf. Die Tedeschi Trucks Band schafft das locker. Wie die zwölfköpfige Band ihre Dynamik und Improvisationsfreude auf der Bühne auslebt, das ist schlicht packend. Die Aufnahmen stammen alle vom selben Konzert (9.9.2016) im kalifornischen Oakland. Das garantiert einen natürlichen Ablauf, eine Stimmung, als sei man selber dabei. Sechs Stücke des Sets sind aus ihrem letzten Studio-Album „Let Me Get By“. Beeindruckend, wie die beiden Schlagzeuger, die Bläser und Begleitstimmen im Mix zur Geltung kommen. Im Zentrum des Geschehens hören wir Derek Trucks‘ leidenschaftliche Slideläufe sowie Susan Tedeschis starker Gesang – mal markig, mal dezent, gestaltet sie auch eine von Sehnsucht erfüllte Ballade wie „Anyhow“ souverän. Immer wieder lässt Trucks‘ Gitarre die Temperatur in die Höhe schnellen, unwiderstehlich im elfminütigen Cover von „Keep On Growing“ (Derek And The Dominos). Packend auch „I Want More“ mit der Überleitung in Santanas „Soul Sacrifice“. Etwas sperrig klingt „Ali“ aus Miles Davis‘ „Bitches Brew“-Phase: eine Kombination aus Funk, Hendrix Gitarre und experimentellem Jazz.

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Tedeschi Trucks Band, Revelator, 2011

Produzent/ Jim Scott, Derek Trucks

Label/ Sony Music

Die Tedeschi Trucks Band macht, was in diesen Zeiten nottut: tröstliche Musik mit einer scharfen Note, Roots-Rock mit sozialem Bewusstsein. Susan Tedeschis Stimme hat das Beruhigende von Bonnie Raitt und die wütende Euphorie von Janis Joplin. Die Bandmitglieder sind weisse und schwarze Musiker mit Wurzeln in Irland, Italien oder Syrien und doch ist diese Band „all-american“: Blues, Rock, Funk und Soul

Die Geschichte der Protagonisten ist eng mit jener der Allman Brothers Band verknüpft. Gitarrenvirtuose Derek Trucks war bereits als Teenager häufig Gast in der Südstaaten-Rockband. 1999, als er zum festen Mitglied wurde, spielte Susan Tedeschi im Vorprogramm der Allmans. Sie und der neun Jahre jüngere Slide-Gitarrist wurden ein Paar. In den kommenden Jahren teilten sie ihr Privatleben, gingen musikalisch aber zunächst Solo­wege. Bis sie 2010 schliesslich ihre gemeinsame Band gründeten.

Ihr Erstlingswerk „Revelator“ hat es gehörig in sich. Durch die grosse Band entsteht ein polyrhythmischer Groove, der jedem Song seinen eigenen Charakter verleiht. Die Songs sind alle aufeinander abgestimmt. Man höre sich nur einmal  „Midnight In Harlem“ an. Ebenso schön kommt „Until You Remember“. Rockiger, aber nicht minder intensiv, klingt „Learn How To Love“. Traumhaft schön auch das Zusammenspiel von Orgel und Bass auf „Love Has Something Else To Say“, gefolgt von einem kurzen und bewundernswert perfekten Wah-Solo der Gitarre.

All dies sind Momente der Freude, eine Feier der menschlichen Erfindung namens Musik. Wenn die Musiker der Tedeschi Trucks Band ihre Virtuosität zeigen, wirkt das nicht wie eine Zurschaustellung, sondern wie ein Geschenk. Oder, anders gesagt, „Revelator“ ist ein Album, für das man sich Zeit nehmen sollte, um alle Feinheiten zu spüren.