The Doors, Riders on the Storm, 1971

Text/Musik/ John Densmore, Robby Krieger, Ray Manzarek, Jim Morrison

Produzent/ Bruce Botnick, The Doors

Label/ Elektra

Der Mörder war in der Rockmusik der 60er Jahre eine Metapher. Er stand für die Bedrohlichkeit der Zeit, für die Schlechtigkeit der Menschen und namentlich für die Selbstsucht, die Ungerechtigkeit, die Grausamkeit, die Gier und die Brutalität der Menschen, die damals politische und ökonomische Macht ausübten. Wenn es sich um Serienmörder handelte, die unschuldige Menschen abschlachteten, war das ein Bild dafür, wie die Welt zugrunde ging. Dieser Subtext war auch bei „Riders on the Storm“ offensichtlich, weil hier gleich mehrere Themen, die die Jugend beschäftigten, miteinander verknüpft wurden: der Serienmörder, der unschuldige Familien abschlachtet; die Suche nach Sinn in einer Welt, in die man geworfen wurde und die einem ganz und gar nicht gefällt; sowie die Liebe zu einer jungen Frau, die niemals enden wird.

Ein einsamer Reiter, ein Mörder, Regen und Donner. Jim Morrison singt so voll, so schön. Es war fast so, als hätte er bereits eine Vorahnung, dass er nach Paris gehen würde. Er sang über seine Liebe zu Pamela Courson und versuchte in seinem Bewusstsein, und auf diesem Planeten, jenen Mörder von der Strassen wegzuwischen: „ Girl, you gotta love your man, take him by the hand, make him understand, the world on you depends, our life will never end.“ Ich meine, ist das nicht ein grossartiger Vers? Die unsterbliche Liebe, die Suche nach Sinn und ein Serienmörder – alles in einem geisterhaft klingenden Blues, sowas konnte nur das Zeitalter der Rockmusik hervorbringen.

The Doors, Morrison Hotel, 1970

Produzent/ Paul A. Rothchild

Label/ Elektra Records

Zuviel ist schon über Jim Morrison geschrieben worden. Nicht so sehr, weil Morrison die Mythen des Rock verkörperte wie kaum ein anderer Sänger seiner Generation. Sondern weil er sie inszenierte bis zu jenem Punkt, in dem er die Kontrolle über die Inszenierung verlor. Und dann an der Rolle und seiner Selbstkarikatur zugrunde ging. Jim Morrison verkörperte die Sehnsucht des Intellektuellen nach Sinnlichkeit und die Sehnsucht des Narzissten nach intellektueller Anerkennung. Er war als intellektueller Bluessänger grossartig und als bluessingender Intellektueller nicht auszuhalten.

Für mich ist das fünfte Doors-Album „Morrison Hotel“ ohne Zweifel ihr bestes und stärkstes. Morrisons Stimme klingt hier reifer, ruhiger und überzeugender als auf den früheren Platten. Die Mätzchen des „erotischen Politikers“ und „Königs der Eidechsen“ sind endgültig passé. Die Platte ist in zwei Seiten aufgeteilt, die sogenannte Bluesseite „Morrison Hotel“ und die Rockseite „Hard Rock Cafe“. Für „Roundhouse Blues“ und „Maggie M’Gill“ engagierte man den Gitarristen Lonnie Mack als Bassisten. Um Morrison davon abzuhalten, Mundharmonika zu spielen, was er nur schauerlich konnte, hatte Paul Rothchild, der Produzent, John Sebastian von der damals populären Folk-Rock-Band Lovin’ Spoonful verpflichtet. Alle Songtexte stammen von Jim Morrison, der sich erstaunlich nachdenklich und gefühlvoll zeigt und über Liebe, Schmerz und Verletzlichkeit singt. Das Spektrum der Songs in „Morrison Hotel“ reicht vom aggressiven „Roadhouse Blues“ bis zu „Indian Summer“, dem verhaltenen, fast minimalistischen Liebeslied aus Hippie-Zeiten. Technisch gesehen war Morrisons Bariton schon limitiert, noch bevor die Drogen seine Stimme durchschossen. Aber er war ein stimmungsvoller Bluessänger und Balladeur, der mit wenig Aufwand Atmosphäre schaffte. Er wusste zu phrasieren, er hatte eine hypnotische Sprechstimme, und was er nicht singen konnte, deutete er an, machte es zum Ausdruck des Nicht-mehr-Sagbaren.

645343186_640.jpg

The Doors, Alabama Song (Whisky Bar), 1967

Text/Musik/ Bertolt Brecht, Kurt Weill

Produzent/ Paul A. Rothschild

Label/ Elektra

Das Stück „Alabama Song (Whisky Bar)“ fällt durch seinen beschwingten, marschartigen Rhythmus, der Zirkus und Rummelplatz evoziert, scheinbar aus dem Raster des ersten Doors Albums. Es ist ein Coversong, dessen Text von Bertolt Brecht stammt (1927 auf Englisch in seiner Sammlung „Hauspostille“ veröffentlicht), zu dem Kurt Weill die Musik beisteuerte. Daraus wurde zunächst das Songspiel „Mahagonny“ (1927), schliesslich die gemeinsame Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ (1930). Die Doors verwenden die ersten zwei von drei Strophen der „Mahagonny“- Fassung und modifizieren sie geringfügig, aber folgenreich: „Show me the way/ To the next little girl“, heisst es bei den Doors anstelle des „pretty boy“ aus der Opernfassung, in der Prostituierte von ihrer Hoffnung auf existenzsichernde Kundschaft singen, ohne deren Dollars sie zugrunde gehen müssen.

Der freie Umgang mit fremdem Song- und Textmaterial hat im „Alabama Song“ bei den Doors eindeutig den Akt einer Entpolitisierung. Durch den Wechsel von mehreren weiblichen Stimmen zu einer einzigen männlichen, die sich weniger um ihr wirtschaftliches als um ihr privates sexuelles Wohlergehen sorgt, geht die kapitalismuskritische Perspektive Brechts vollständig verloren. Im Vergleich mit früheren Aufnahmen des Stücks wird diese Abweichung umso deutlicher. Von der nostalgischen bis resignativen Stimmung, wie sie zum Beispiel Lotte Lenyas Interpretation bestimmt, ist bei den Doors nichts zu spüren. Zu den Zirkus- und Rummelplatzrhythmen gebärdet sich Morrison lüstern und erlebnishungrig, die von Brecht ins Visier genommene Vergnügungsindustrie erfährt hier eine ungebrochen-affirmative Darstellung. Die Band schmückt sich nur noch oberflächlich mit dem Chic der Weimarer Bohéme, und auch die deutsche Phantasie von den USA als Inbegriff kapitalistischer Ausbeutung verliert sich.

115159255.jpg

The Doors, Strange Days, 1967

Produzent/ Paul A. Rothschild

Label/ Elektra Records

Wenn „Strange Days“ wie der zweite Teil des Debütalbums klingt, ist das kein Zufall. Es handelte sich immer noch um die Songs, die die Band bereits seit ihrer Gründung live erprobt hatte. Die Stimmung ist ähnlich wie auf „The Doors“, und doch wiederholt sich nichts, den die Songideen sind originell, insgesamt ist die Platte vielleicht ein wenig psychedelischer. Gleich das Orgel-Intro zum Opener „Strange Days“ leitet die Platte mit einer entrückten Note ein. Das Album ist leiser, balladesker und womöglich in der Nuance auch ein wenig experimenteller als sein Vorgänger. In „Love Me Two Times“ bringt Ray Manzarek zum Beispiel den Klang eines Cembalos zu Gehör. „Horses Latitudes“ ist eigentlich kein Song, sondern eine erste Spoken-Word-Performance Morrisons, die von den drei Instrumentalisten mit düsteren Klangkulissen untermalt wird.

Auf „Strange Days“ fehlen die Anklänge an asiatische, lateinamerikanische und Musiktraditionen, die auf „The Doors“ noch im Vordergrund standen. Die jazzigen Momente, vorallem von Kriegers Gitarre, werden organischer in den Gesamtsound integriert. Krieger und Manzarek sind dichter beisammen als auf dem Erstlingswerk. Das Gesamtbild der Band gewinnt an Tiefe, die Gruppe wirkt selbstbewusster und ein wenig eleganter. Morrison geniesst diese Sicherheit hörbar. Er kann mit seinen vokalen Fähigkeiten besser changieren. in Liedern wie „You’re Lost Little Girl“ oder dem kurzen „Unhappy Girl“ wird er fast zum Crooner in der Tradition von Bing Crosby, Frank Sinatra oder Tony Bennett. Der nächste Höhepunkt ist das kurze, aber unglaublich konzentrierte „People Are Strange“, das wiederum ein wenig an die britischen Kinks erinnert, bei denen sich The Doors ja sowieso gern bedienten. Am Ende steht mit „When The Music’s Over“ wieder ein grosses Epos, das zugleich eine weitere Endzeit-Fantasie ist. Morrison und The Doors haben auf ihren Alben von Anfang an ihr Ende akzeptiert.