The Doors, Alabama Song (Whisky Bar), 1967
Text/Musik/ Bertolt Brecht, Kurt Weill
Produzent/ Paul A. Rothschild
Label/ Elektra
Das Stück „Alabama Song (Whisky Bar)“ fällt durch seinen beschwingten, marschartigen Rhythmus, der Zirkus und Rummelplatz evoziert, scheinbar aus dem Raster des ersten Doors Albums. Es ist ein Coversong, dessen Text von Bertolt Brecht stammt (1927 auf Englisch in seiner Sammlung „Hauspostille“ veröffentlicht), zu dem Kurt Weill die Musik beisteuerte. Daraus wurde zunächst das Songspiel „Mahagonny“ (1927), schliesslich die gemeinsame Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ (1930). Die Doors verwenden die ersten zwei von drei Strophen der „Mahagonny“- Fassung und modifizieren sie geringfügig, aber folgenreich: „Show me the way/ To the next little girl“, heisst es bei den Doors anstelle des „pretty boy“ aus der Opernfassung, in der Prostituierte von ihrer Hoffnung auf existenzsichernde Kundschaft singen, ohne deren Dollars sie zugrunde gehen müssen.
Der freie Umgang mit fremdem Song- und Textmaterial hat im „Alabama Song“ bei den Doors eindeutig den Akt einer Entpolitisierung. Durch den Wechsel von mehreren weiblichen Stimmen zu einer einzigen männlichen, die sich weniger um ihr wirtschaftliches als um ihr privates sexuelles Wohlergehen sorgt, geht die kapitalismuskritische Perspektive Brechts vollständig verloren. Im Vergleich mit früheren Aufnahmen des Stücks wird diese Abweichung umso deutlicher. Von der nostalgischen bis resignativen Stimmung, wie sie zum Beispiel Lotte Lenyas Interpretation bestimmt, ist bei den Doors nichts zu spüren. Zu den Zirkus- und Rummelplatzrhythmen gebärdet sich Morrison lüstern und erlebnishungrig, die von Brecht ins Visier genommene Vergnügungsindustrie erfährt hier eine ungebrochen-affirmative Darstellung. Die Band schmückt sich nur noch oberflächlich mit dem Chic der Weimarer Bohéme, und auch die deutsche Phantasie von den USA als Inbegriff kapitalistischer Ausbeutung verliert sich.
Eine bemerkenswerte Beobachtung und Interpretation, die durchaus ein erhellendes Licht auf die industrielle Seite der Rockmusik generell wirft. Hinter dem „freien Umgang“ steckt nicht selten auch eine „unfreundliche Übernahme“ auf der Jagd nach schnellen Lorbeeren in Form von Ruhm und Geld bzw. umgekehrt.
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Schwer zu sagen! Es könnte auch ein Tribut der Doors an zwei mutige Männer aus einer anderen Zeit sein. Den Vers „Show us the way to the next little dollar, oh, don’t ask why…“ liess die Band wohl bewusst aus, weil sie sich nicht damit identifiziert.
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Ich will den Doors speziell nichts unterstellen, zumal die Zeit ihrer Musik bis heute nichts anhaben konnte. Schon alleine, dass und wie sie den Alabama Song in den Kanon der Rockmusik „hineingecovert“ haben, ist grandios. Aber die textliche Veränderung, die vielleicht nicht nur eine Entpolitisierung, sondern auch eine Anpassung an das zeitgeistige Auffassungsvermögen darstellt, könnte paradoxerweise zugleich eine Warnung vor dessen Untiefen, vulgo Flachsinn, bedeuten.
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Ihre Botschaft hatten die Doors ja schon am Anfang formuliert: „You know that I would be a liar, if I was to say to you, girl, we could’nt get much higher“. Fortschritt nicht, um Geschichte zu machen, nicht um die Welt zu übernehmen, sondern, um sich den Horizont der Zeit offenzuhalten. Mr. Morrisson liess sich gemäss seiner Huxley-Doors-Wahrnehmungstheorie tief in den Drogentopf fallen, und probierte alles aus, was ihm unterkam, wahllos, exzessiv, auf der Suche nach Bewusstseinserweiterung.
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Im Studium haben wir den Song beim TippKick in den Pausen zwischen den Vorlesungen zu jedem Treffer gesungen. „Oh please show us the way…“
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Als Musikklässler auf dem Gymnasium hatten wir mit Weil/Brecht Kontakt und haben aus der Drei Groschen Oper das „Drei Groschen Eintritt“ Lied im Chor gesungen. Das wurde sogar auf Schallplatte gepresst, was damals noch selten war. Aber alles vergessen und vorbei.
Vorbei (Flammende Herzen – Chill Remix 1993) von Michael Rother
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Der Song sollte heute zum Grundrepertoire in jedem Musikunterricht gehören. Allerdings lief bei mir zuerst die Doors-Version. Später habe ich mir dann „Mahagonny“ mit Lotte Lenya gekauft.
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Ich könnte mir vorstellen, dass Ray Manzarek, der bestimmt Weill, die Dreigroschenoper und den Kontext kannte, aber von Jim Morrison als „Poeten“ begeistert war, seine Urteilsfähigkeit aussen vorliess und ein kalifornisches who cares dafür einsetzte. Morrison scheint mir nicht der klassenbewusste Intellektuelle, die Ideen Brechts aufzugreifen, wenn es auch andere gegeben hätte, das zu tun.
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Das könnte schon sein! Ray Manzarek hatte ja auch seine Einflüsse aus dem Jazz und der klassischen Musik bei den Doors reingebracht. Seine Hammondorgel im „Alabama Song“ ist jedenfalls ausgezeichnet. John Densmore spielt bei dieser Aufnahme übrigens ein sogenanntes Marxaphone, eine metallene Perkussion-Autoharp.
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One of the things I like about music is when bands like the Doors mix it up and cover something like this and make it work.
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With this elegant and ingenious version of „Alabama Song“ Bert Brecht and Kurt Weill found their way into rock music. David Bowie also covered this song in 1980, but his version is nowhere near as good as that of The Doors.
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It was through bands like the Doors that I discovered people like Brecht and Weill. I don’t dislike Bowie but his music has never really grabbed me (except his work with Fripp/Eno)
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