Ein später Dezemberabend in Bern. Keine versöhnlichen Verszeilen zum Jahresende, kaum erbauliche Lyrik in Zeiten der Pandemie, stattdessen bloss die täglich kommunizierten Fallzahlen und die Angst in den Gesichtern, die hinter den Masken verschwunden sind. Am Eingang zum nächsten Jahr stehen Milliarden von Impfdosen bereit – ein globales Heilsversprechen, das sich hoffentlich für möglichst viele Menschen bald einlöst. Mehr bleibt uns nicht. Nicht ganz. Immerhin haben wir die Musik, und die bringt uns auch durch düstere Zeiten. Alben wie „The Neighborhood“ (Los Lobos), „Naturally“ ( J. J. Cale), „Innervisions“ (Stevie Wonder) oder „Boots No.2“ (Gillian Welch) versetzen uns in einen Zustand der Zeitlosigkeit, in dem Träume in jede Richtung der Zeitachse möglich sind. Dazu ein Glas Rioja und ein Teller Risotto Milanese – und alles wird wieder erträglich.

Ich bedanke mich bei allen, die diesen kleinen Musikblog abonniert haben, besonders aber bei den Leuten, die den einzelnen Beiträgen Ihre Aufmerksamkeit in Form von Kommentaren entgegenbringen, und die sich auch von persönlichen Geschmacksaussagen nicht schrecken und manchmal sogar überzeugen lassen. Was mich fesselt und was der Musik ihre menschliche Wärme und Bedeutung gibt, sind auch die Geschichten, die sich um sie ranken. Diese fehlen bei vielen seelenlosen und im Algorithmus entworfenen Produkten der Musikindustrie, und sie werden naturgemäss auch den künstlich erzeugten Liedern fehlen. Denn der Mensch ist und bleibt ein Wesen, das von Geschichten lebt, egal ob sie in Bildern oder in Worten erzählt werden.

Bleiben wir antizyklisch und beenden das Jahr, wie es sich gehört. Mit Austern und Champagner. Oder eben mit Dosenbier. Knack. Zisch.

 

A late December evening in Bern. No conciliatory verses at the end of the year, hardly any uplifting poetry in times of pandemic, just the daily communicated case numbers and fear in the faces behind the masks. For next year are billions of vaccination doses ready – a global promise of salvation and we hope it will be for so many people as possible. We don’t have more. Not quite. After all, we have the music, she gets us through dark times. Albums like “The Neighborhood” (Los Lobos), “Naurally” ( J. J. Cale), “Innervisions” (Stevie Wonder) or “Boots No.2” (Gillian Welch) can put us in a timelessness state where dreams in every direction are possible. Add a glass of redwine and a good meal – and everything becomes bearable again.

I say thanks to everyone who follows this little music blog, especially the people who pay attention to the individual posts in form of comments, and who are not frightened by personal statements of taste. What fascinates me and what gives the music its warmth and meaning are also the stories that surround it. These are missing in many soulless and algorithm-designed products of the music industry, and they will naturally also be missing in artificially produced songs. Because man is and remains a being that lives from stories, regardless of whether they are told in pictures or in words.

Let’s stay counter-cyclical and end the year the way as it should be. With oysters and champagne. Or with a can of beer. Crack. Hiss.

24 Gedanken zu “

  1. Jaaaa! „Der Mensch ist und bleibt ein Wesen, das von Geschichten lebt“ …jajaja, Du sprichst mir aus der Seele … und auch wenn ringsherum alles sehr mühsam ist und die Geschichten mitunter traurig … ichbin dabei und werd alles dafür tun, daß der Erzählfaden weitergereicht wird und manch bunter (fliegender)Teppich daraus gewoben wird! Ich geb Dir die Hand und dank Dir für die wunderschöne Musik hier in Deinem Blog und wünsch Dir alles Gute für das Neue Jahr!

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  2. Kann mich der Graugans nur anschließen: Danke für ein weiteres Jahr der musikalischen Inspiration durch deinen (auch sprachlich) so ansprechenden Blog!
    Herzliche Grüße aus München
    Natascha

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  3. Und ich danke Dir für die Beiträge.
    Scheinbar altbewährte, aber zeitlose Musik, die ich neu entdecke und erforsche.
    Mir bekannte und vertraute Musikstücke aus einer neuen Perspektive erlebe.

    Und hoffentlich sehe ich Bern bald wieder – mit all den Menschen, die die Zytglogge bewundern oder auf dem Rosengarten flanieren oder draußen auf einer Gasse am Tisch vor einem Bistro sitzen.

    Liebe Grüsse!

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    1. Danke Sori! Es gibt Menschen, für die ist diese Krise eine enorme physische und psychische Belastung, aber mir geht es, wie den Allermeisten, eher um einen befristeten Verzicht, auf das Schwimmen im Hallenbad etwa, Konzert-, Restaurant- und Museumsbesuche. Ich denke mir, wir müssen uns klar machen, die Menschen haben früher Epidemien erlebt und künftigen Generationen wird das auch passieren. Mit einem herzlichen Gruss nach Wien: https://www.youtube.com/watch?v=-U_awHiE2e0

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    1. Danke für das Video! Ich wünsche Dir auch einen guten Rutsch, aber machen wir uns keine Hoffnungen darauf, dass wir die Tür hinter uns zuknallen lassen können, wie ein von den Zumutungen des Lebens überforderter Teenager: 2020, und tschüss!

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  4. Und auch ich schließe mich an, ich danke dir sehr für die Geschichten zu den musikalischen Inspirationen, oftmals Erinnerungen, ach … 🙂 …. . Lassen wir uns nicht unterkriegen, jetzt erst recht: bleiben wir lebendig! Ich wünsche dir ein wunderbares Neues Jahr! Grüße aus dem Wienerwal!

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  5. Vielen Dank für die vielen Denkanstösse! Einen möchte ich aber auch geben, weil der hier noch nicht, und sonst zu selten erwähnt wird – nur eines von ich glaube 5 Alben dieser Band, aber zeitlos und wunderschön, dabei sehr aktuell. The twelve dreams of Dr. Sardonicus von der Band Spirit. Genial!

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  6. Lieber Hotfox, ich bedanke mich für Ihre trefflichen Worte zum Jahresausgang. Ich bin froh, dass ich Ihren feinen Blog gefunden habe. Ihre Präsentationen wecken nicht bloss Erinnerungen auf, sie wecken auch das Interesse für neue Entdeckungen.
    Zum Glück gibt es so viele Musiken, sodass jeder Menschen die seine finden kann, die ihm zu Herzen geht. Mögen Sie immer die Ihre finden.
    Herzliche Grüsse und Ihnen alles Gute für die Zukunft,
    Herr Ärmel

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    1. Ich danke Ihnen, Herr Ärmel. So ein Blog ist ein Ort, wo man mehr als nur Konsensmusik besprechen kann, aber spannend wird es für mich erst dann, wenn zwischen mehreren solchen kuriosen Blogs ein gleichberechtigter, pluralistischer Austausch entsteht.

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  7. Es macht immer wieder Spass Deinen Blog zu lesen und dabei auch neue Musik zu entdecken. Ich habe fest vor dies auch weiterhin zu tun.

    Ich hoffe Du kannst die letzten Tage dieses leidigen Jahres in Ruhe verbringen und wuensche Dir alles Gute fuer 2021. And keep on bloggin‘ in the free world! 🙂

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  8. The Flock war für mich damals eine Band, von der ich nur ein paar Stücke kannte, und zwar von einer Spezialsendung von SWF3, fast zu der Anfangszeit des Senders, in der sie noch ganze Platten und sehr lange Titel spielten. Aber bei Mahavishnu entdeckte ich den genialen Geiger Jerry Goodman wieder, der McLaughlin in nichts nachstand. Auch ein sehr guter Tipp!

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