The Monkees, The Best Of The Monkees, 2003

Produzent/ Andrew Sandoval

Label/ Rhino

Sie waren beatlesker als die Beatles. Und das hatte ja schon seine Logik, weil sie nämlich sein wollten wie die Beatles und darum einfach ignorierten, wie sich die Beatles von sich selbst entfernten mit den Jahren, von den musikalischen Schlüsselreizen, die sie berühmt gemacht hatten. 1966 übernahmen also The Monkees mit sagenhaft eingängigen Verschnitten von rollenden Beats, knuffigen Rock-’n’-Roll-Gitarren, Handclaps und poliertem Harmoniegesang.

Die Monkees waren eine der ersten erfolgreichen Boygroups der Popgeschichte. Sie wurden allerdings nicht für die Bühne gecastet, sondern für die Fernsehserie „The Monkees“, die von 1966 bis 1968 lief und die von einer amerikanischen Band erzählte, die sich erfolglos abmühte, so erfolgreich wie die Beatles zu werden. Der Plot ging nicht auf: Schon 1967 verkauften die Monkees mehr Platten als die Beatles und die Rolling Stones zusammen; dies dank Hits wie „I’m a Believer“ oder „Daydream Believer“. Natürlich ist hier fast alles Sonnenschein, und natürlich sind die Lieder voller Mädchen, die den singenden Männern den Sommer bringen, sie zum Lachen bringen oder auch nur ihre Sinne wegblasen. Bessere Zeiten herrschen, knapp 67 Minuten lang. Gute Reise Michael.

The Who, Boris The Spider, 1966

Text/ Musik/ John Entwistle

Produzent/ Kit Lambert

Label/ Polydor

Die finanzielle Situation von The Who war ziemlich desolat, als 1966 ihr zweites Album fällig war. Mit der Plattenfirma hatten sie einen Vorschuss von fünfhundert Pfund ausgehandelt, der jedoch erst ausgezahlt werden sollte, wenn jedes Bandmitglied zwei Songs abgeliefert hatte. Nachdem sie John Entwistles „Whisky Man“ geübt hatten, erkundete sich Pete Townshend bei seinem Bassisten, ob er seinen zweiten Song schon fertig habe. Um nicht als faul zu erscheinen, nickte Entwistle zustimmend, der allerdings lieber mit Bill Wyman und Charlie Watts um die Häuser gezogen war, statt im stillen Kämmerlein zu komponieren. Townshend wollte Näheres wissen: „Wovon handelt er?“ Von einer Spinne. „Wie heisst er?“ Entwistle wand sich schuldbewusst und druckste rum. Als er mit Bill und Charlie zechen war, hatten sie, schon ziemlich angeheitert, spasseshalber blöde Tiernamen erfunden und so stammelte er schliesslich: „Oh, äh, ‚Boris The Spider‘.“

Als dann Townshend auch noch wissen wollte, wie der Song geht, kam Entwistle in Panik. Er eilte nach Hause und schrieb das Ding in einem Rutsch. „Es war der schnellste Song, den ich je in meinem Leben geschrieben habe.“

The Pretty Things, Get the Picture?, 1965

Produzent/ Bobby Graham, Glyn Johns

Label/ Fontana

In den frühen Sixties waren The Pretty Things die wildeste aller britischen Rhythm & Blues-Bands – laut, rüde, wild. Als die von dem Sänger Phil May angeführte Horde enthusiastischer R&B-Freaks 1964 ihre erste Hit-Single „Rosalyn“ veröffentlichten, schien ihr Weg zum Starruhm vorgezeichnet. Doch die grosse Kohle machten schliesslich andere aus derselben Londoner Szene von Kunststudenten – The Who oder die Rolling Stones.

Neben dem Gitarristen Dick Taylor war der mit seiner Mischung aus Aggression und androgyner Zügellosigkeit und für damalige Verhältnisse extrem langhaarige May der perfekte Frontmann für den R&B, den die Pretty Things zelebrierten. Dass es bei den Liveauftritten regelmässig zu Tumulten kam, festigte ihren Ruf als Bad Boys. Nach dem sehr traditionellen, wenn auch umwerfenden Debütalbum, machten die Pretty Things, auf ihrem zweiten Album „Get The Picture?“ gleich mal ein ganz anderes Fass auf. Zum einen stürzten sie sich in kraftvolle Eigenkompositionen, die trotz Beat und Blues wirklich schon garagenrockmässig daherkamen und zugleich psychedelische Elemente mit ins Repertoire brachten. Was man auch an manchem Titel sofort erkennt („L.S.D.“).

Dieses Statement dürfte auch ein wesentlicher Bestandteil des aufkeimenden Swinging London gewesen sein. Hier ist der Beginn einer kulturellen Revolution mitverankert, die dann hemmungslos stilistische Zutaten verschmolzen hat und zu einem eigenen Ausdruck fand. Und diese Aufbruchstimmung hört man deutlich heraus. Sicherlich wurde dies später noch verfeinert, aber „Get The Picture?“ ist und bleibt ein wichtiges Album in der Entwicklung der Rockmusik in den 60ern.

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The Rolling Stones, Paint It Black, 1966

Text/Musik/ Mick Jagger, Keith Richards

Produzent/ Andrew Loog Oldham

Label/ Decca

Die zehnte Single der Stones – Nr.1 auf beiden Seiten des Atlantiks – warf einen bemerkenswerten Schatten auf den sonnigen Optimismus der Popmusik des Jahres 1966. „Paint It Black“ ist Blues, aber nihilistischer als alles, was die Band zuvor hervorgebracht hatte. Mick Jaggers Text  „I have to turn my head until my darkness goes“ bezieht sich auf James Joyces Roman „Ulysses“ und nimmt den Tod eines lieben Menschen als Katalysator für eine verzweifelte, hoffnungslose Weltsicht. „Es ist wie das Anfangsstadium miserabler Psychedelica“, sage Jagger später. „Da haben die Rolling Stones etwas in Gang gesetzt.“

Die stärkste musikalische Ausstrahlung hat hier die Sitar von Brian Jones. Sie hat etwas Verwirrendes, leicht Bedrohliches an sich, und durch sie ist der Song ein viel erfolgreicherer Ausflug ins Psychedelische als die Platte „Their Satanic Majesties Request“ aus dem Jahr 1967. Die Aufnahmesession hätte nirgendwohin geführt, hätte Jones nicht sich nicht exotische Instrument geschnappt und angefangen, ihm Töne zu entlocken. „Wir haben’s mit funky Rhythmen probiert, und es hat funktioniert“, so Richards später; „er hat angefangen Sitar zu spielen und alle sind eingestiegen.“ Jones zauberte gekonnt einen hypnotischen Drone, und am Ende doppelte Bill Wyman seinen Bass mit den Basspedalen der Orgel.

Scheppernder Garagenpunk – Charlie Watts Drums pochen unerbittlich wie Migräne – gepaart mit abgrundtiefer Trauer. „Paint It Black“ ein mitreissendes Requiem des Pop.

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The Who, Meaty Beaty Big And Bouncy, 1971

Produzent/ Kit Lambert, Shel Talmy

Label/ Polydor

Mehr noch als viele ihrer Zeitgenossen wie die Beatles oder die Stones, die gerne mal eine Single veröffentlichten, die nicht auf einem Album unterkam, waren die Who in den 60er Jahren primär eine Singles-Band. Und als solche fanden sich ihre grössten Hits eben nicht auf den Studioalben. Tatsächlich gab Townshend zu Protokoll, dass er erst mit „Tommy“ die Kunst des Albums entdeckt habe. Aus diesem Grund ist diese 1971 erschienene Compilation mitsamt ihrem grossartig melancholischen Cover ein Rückblick auf das Frühwerk der Band. Und zu diesem gehören ja schliesslich einige der besten Songs der 60er Jahre.

Diese LP konnte ich mir zur Zeit ihrer Veröffentlichung nicht leisten, daher existierte von „Meaty Beaty Big And Bouncy“ jahrelang nur eine Cassetten-Kopie, deren Qualität von vorneherein nicht die Beste war und im Laufe der Zeit immer schlechter wurde. Später habe ich mir dann das Album zugelegt und es auch nicht bereut: besonders reizvoll an den Who ist hier ihre Fähigkeit einen Gesamtsound hinzulegen – reiche Arrangements und üppige Harmonien von musikalischen Könnern.

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Them, The Angry Young Them, 1965

Produzent/ Bert Berns, Dick Rowe

Label/ Decca

Heutzutags verbindet man mit Garage Rock alles was mit verzerrten Gitarren und fast unverständlichem Gesang daherkommt. Die Wurzeln vom Garage Rock siedeln sich jedoch im Rock’n’Roll an und tönen tun’ die noch anders als der heutige „Garage Rock”.

Eine wichtige Band für dieses Genre waren Them, ein Quintett aus Nordirland. Ihr Debut “The Angry Young Them” ist im Jahr 1965 erschienen. Der erfolgreiche Van Morrison war, bevor er mit seiner Solokarriere durchstartete, damals Sänger bei Them. Der grosse Durchbruch gelang der Band Them jedoch nie. Darum bleiben viele ihrer Songs vergessene Klassiker.

Die Platte „The Angry Young Them“ beherbergt neben einzelnen Covers ganze sechs vom Morrison geschriebene Songs. Der eigentliche Hit des Albums ist „Gloria“. Es gibt wohl wenige Titel, die öfter gecovert wurden, egal ob von Grössen wie Patti Smith, The Doors, Jimi Hendrix, Bruce Springsteen, Iggy Pop oder von zahllosen Schüler- und Hobbybands. Der Song war auch die erste Singleveröffentlichung von Them in den USA, wo die Band als Teil der „British Invasion“ vermarktet wurde. Im Rahmen ihrer US-Tour traten Them zwei Wochen – mit den Doors im Vorprogramm – in L.A. im legendären Rockclub „Whisky a Go Go“ auf, wo Jim Morrison und Van Morrison gemeinsam „Gloria“ im Duett sangen.

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The Monkees, 1966

Produzent/ Tommy Boyce, Bobby Hart, Jack Keller, Michael Nesmith

Label/ Colgems

Das Debütalbum der Monkees war in gewisser Weise eines der revolutionärsten Alben von 1966. Nicht weil die Musik so innovativ gewesen wäre, die ist eher ein Abklatsch des British Pop, sondern weil hier erstmals Popmusik „crossmedial“ genutzt wurde. Die Monkees waren eine nach Aussehen und nicht nach Fähigkeiten gecastete Band zu einer Comedy-Serie und das Album der Soundtrack dazu.

Auch die Beatles hatten zuvor Filme gemacht, aber sie hatten die Musik diesen Filmen angepasst, waren da selber als Songwriter tätig gewesen. In den Staaten wollte der Produzent und Manager Don Kirshner an den Erfolg der beiden Beatles-Filme „A Hard day’s Night“ und „Help“anknüpfen, indem er eine Band castete, die lustige, verrückte Abenteuer auf ihrem Weg zum Ruhm erlebt. Dass die Protagonisten dabei Instrumente spielen können, war eher zweitrangig. Für das Album zur Serie holte sich Kirshner mit Tommy Boyce und Bobby Hart zwei professionelle Songwriter und hatte wohl auch vor, das Album von diversen Studiomusiker einspielen zu lassen – aber mit Micky Dolenz, Peter Tork und vor allem dem jungen Michael Nesmith waren bei der Fantasie-Band doch drei Personen dabei, die auch gerne selber musizieren wollten.

Tatsächlich wurde die „Band“ ins Studio geschickt, um zu „proben“ – damit sie im TV besser aussahen, aber dann schrieb Nesmith mit „Papa Gene’s Blues“ sogar einen eigenen Song, der sich vom Beat der anderen Stücke durch Country-Einflüsse unterschied. Und der Titelsong „(Theme from) The Monkees“ sowie „Last Train To Clarksville“ sind auch gelungene Songs, die Vocals sind purer Pop, die Stimme von Dolenz hat ein beachtliches Kapital. Aber insbesondere Nesmith – der einzige wirklich ernstzunehmende Musiker, der bald mit seiner First National Band zum Country-Rock wechseln sollte – hatte für die Monkees später nur Spott übrig. Seiner Meinung nach war die TV-Serie eine flache Comedy-Show mit vier Typen, die eine Band imitierten. Und der Spott galt natürlich auch diesem Album – was aus der Sicht eines Musikers nachvollziehbar ist.

Aber immerhin: die Monkees waren unterhaltsam und im Vergleich zu etlichen Casting Bands heutiger Zeit ist das Album goldenes Handwerk. Die Serie und die ersten beiden Alben hatten in den USA grossen Erfolg. Die Monkees gelten zu Recht als die erste zur kommerziellen Ausbeutung zusammengecastete Boyband – die aber allein schon deshalb interessant ist, weil sie sich in kurzer Zeit tatsächlich zu einer echten Band entwickelt hat.

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The Kingsmen, Louie Louie, 1963

Text/Musik/ Richard Berry

Produzent/ Ken Chase, Jerry Dennon

Label/ Jerden

„Louie Louie“ ist eines der grundlegenden musikalischen Motive der Rockgeschichte. Ein kruder Riff, einfach und ungehobelt, ein lautes Stolpern über die rudimentäre Akkordfolge Tonika – Subdominante – Dominante – Tonika. Dann eine Pause, und es geht wieder von vorne los. Ein Rhythmus, der einen hin- und herschüttelt plötzlicher Beschleunigung und ebenso schlagartigem Verstummen.

Mehr ge- als erfunden hat den Riff der R&B-Sänger und Produzent Richard Berry aus Los Angeles, als er im Frühjahr 1956 auf der Suche nach Material für eine Aufnahmesession seiner Doo-Wop-Gruppe The Pharaohs die Clave-Figur eines Cha-Cha-Grooves bearbeitete.

Acht Jahre später stürmten die Kingsmen, eine halbprofessionelle amerikanische Nordwestküsten-Rockband, mit ihrer Version von „Louie Louie“ die britischen Charts. Die Kingsmen hatte den Riff beschleunigt, den Rhythmus aus der Fassung gebracht und all den Lärm aufgewirbelt, der sich in der rudimentären Komposition abgesetzt hatte. Seitdem gibt es bis in die Gegenwart hinein unzählige Neuauflagen des Stücks: offene Coverversionen, versteckte Plagiate, Huldigungen und Umformungen, die nur noch vom Gestus der Urform zehren. Auch wenn das Stück allen bedeutenden englischen Bands der frühen 60er Jahre als Inspiration gedient hatte, waren doch die Kinks die Band, die am intensivsten in der Goldader „Louie Louie“ schürfte. Die grossen Hits der allerersten Zeit: „You Really Got Me“, „All Day And All Of The Night“, „I Need You“ sind allesamt Fundstücke aus diesem Traditionsstrom.