Frank Zappa, Trouble Every Day, 1966

Text/Musik/ Frank Zappa

Produzent/ Tom Wilson

Label/ Verve

Die Republikaner seien von Gier zerfressen und die Demokraten vom Neid, keine Republikaner zu sein, sagte er. Aber das hinderte Frank Zappa nicht daran, sich in öffentliche Debatten einzumischen, die Leute zum Wählen aufzufordern und sich mit Politiker anzulegen, die Songtexte zensieren und damit die Redefreiheit einschränken wollten. Zuletzt war er von der Politik dermassen abgestossen, dass er 1991 ankündigte, er werde selber als Unabhängiger für die amerikanische Präsidentschaft kandidieren. Was er seinen politischen Konkurrenten voraus habe, wollten die Journalisten von ihm wissen. „Ich arbeite länger als sie“, gab er zurück. „Und ich bin wach.“ Und überhaupt: „Could I do any worse?“

Zappa konnte den Beweis nicht mehr antreten. Kurz nach Bekanntgabe seiner Kanditatur erkrankte er an Prostatakrebs und starb zwei Jahre später mit 52 Jahren. Er hinterliess vier Kinder, über sechzig Alben und mehrere Filme. Kein Musiker hat komponiert wie er, kein Gitarrist so gespielt wie er, kaum ein Bandleader so widersprüchliche Positionen in sich vereint. Frank Zappa war ein Zyniker, der die Musik liebte. Er verachtete das Militär und hasste die Gewerkschaften. Er feierte die sexuelle Befreiung und schrieb sexistische Texte. Er widersetzte sich den Autoritäten und war ein diktatorischer Chef. Er förderte die Improvisation und diktierte Notensätze. Er war kontrollierend und hemmungslos. Er rauchte Kette und fand Drogen idiotisch. Er hatte Humor und war Pessimist. „Das Einzige, was wir immer besser können, ist einander umzubringen“, sagte er. Kein Wunder, dass er Dummheit für ein chemisches Element hielt. Alles, was Zappa machte und dachte, ist bereits in seinem ersten Album „Freak Out“ von 1966 angelegt. Texte und Vortrag sind von einer Ironie durchsetzt, die auch die Hippies und ihre Subkultur nicht verschont. Frank Zappa war, wie er sich selber definierte, ein musizierender Soziologe. Und erkannte früher als die meisten anderen, wie widerstandslos die amerikanische Gegenkultur im Kapitalismus aufgehen sollte.

Frank Zappa, Zoot Allures, 1976

Produzent/ Frank Zappa

Label/ Warner Bros. Records

Ich bin heute noch ein Anhänger seines beissenden Humors, seiner schnippischen Kommentare des „American Way Of Death“. Und hätte ich beim Unterfangen die besten Zappa-Scheiben herauszufinden Punkte zu vergeben, würde ich für seine „Zoot Allures“ eine Höchstpunktzahl geben. Und zwar in der Kategorie Rock, was was immer das auch heissen mag. Aber für die musikalische Komplexität von Frank Zappa gibt es eigentlich keine Kategorie.

Auf „Zoot Allures“ ist mal wieder alles in seiner Hand: Er ist Produzent, Re-Mix-Engineer, Songschreiber, auf zwei Stücken spielt er bis auf Schlagzeug alles, Gitarre, Bass, Tasteninstrumente und Gesang (auf „The Torture Never Stops“ ist er zudem noch „Direktor für erfrischende Aktivitäten“, doch wird nicht gesagt, wie die Dame heisst, die sich von Frank erfrischen und zu orgastischem Geschrei hinreissen lässt). Seine Assistenten sind u.a.: Donnie Vliet (Harmonika; da ist Captain Beefheart gemeint), Roy Estrada (Bass), Napoleon Murphy Brock (Saxophon), Ruth Underwood (Marimba, Synth) und Terry Bozzie (Schlagzeug).

Und wer es noch nicht gemerkt hat, Zappa war ein aussergewöhnlicher Gitarrist, dafür ist dieses Album der beste Beweis. Er weist ein ungeheures Spektrum auf, man höre sich nur einmal das lyrische „Black Napkins“ (live in Osaka aufgenommen), das orientalische „Friendly Little Finger“ oder meinen Favoriten „Zoot Allures“ (alles Instrumentalnummern) an. Frank Zappa wirkt zur Zeit auf mich wie Medizin, sie bläst meine Kopfschmerzen davon und lässt mich gut in den Tag. Also, morgens zwei bis drei Stücke von Zappa, und der Tag ist gerettet.

Frank Zappa, Apostrophe‘, 1974

Producer/ Frank Zappa

Label/ DiscReet Records

Frank der Zyniker schlägt wieder zu. Mir sind seine Platten mit Gesang lieber als die Varese-Nachfolger. Aber das ist eine Frage, die eine Nation spaltet. Ist nun der gesellschaftskritische Zappa besser als der musikexplodierende? Eins lässt sich wohl kaum vom anderen trennen, und doch sind die Unterschiede manchmal beträchtlich.

This was my first exposure to Zappa’s music and I was introduced to his musical world. What a world it was. His vocals caught my ear right away, the humor and then his unique guitar licks which was the cream on top of all this new well put together tight music I was hearing for the first time. I wanted to hear more Frank Zappa.

Ich bin froh, dass es auf „Apostrophe“ genug Worte gibt, genug Lieder. So wird Zappa nämlich zum Spass, zum Ereignis. Man kann nicht nur schmunzeln, wenn er dem Jungen „next door“ oder dem lieben alten Trottel eins auf den Sack gibt. Doch Freude wird hier nicht zur Schadenfreude, denn vielleicht meint Onkel Frank ja auch dich! Auch deine Schweissfüsse oder meine.

Franks vocals (spoken word at times) and his humor were a draw. You knew he was having fun and not taking things to serious which appealed to a teenage CB off the bat. I wasn’t hearing songs about „Nanook“ or „Alphonso“ any where else… So many of the lyrics on the album have stuck with me over the years. „The crux of the biscuit is the apostrophe …  Ain’t this boogie a mess“.

Natürlich ist das Album gut. Zappa hat einige Musiker versammelt, mit denen er „gern Platten macht“, wie es in Cover-Text heisst. Das sind zum Beispiel Jack Bruce, George Duke, Sugar Cane Harris, Jean-Luc Ponty, Jim Gordon, Ainsley Dunbar usw. usw. Meine einzige Kritik an der Platte ist in Bezug auf die Länge. Es ist eigentlich eine Frechheit, ein Album herauszubringen, dass nur 32 Minuten lang ist. Auch bei Zappa!

Frank hooking up with Bruce and Gordon on the title track just did it for me. Power trio, hard rock instrumental. It has become a favorite tune for me. I could have spent 32 minutes in this jam but Zappa cut it short making me want some more of not just this cut but of all the music I heard on the record. 

Dieser Beitrag entstand im Dialog mit Cincinnati Babyhead

Frank Zappa And The Mothers Of Invention, Cruising With Ruben & The Jets, 1968

Produzent/ Frank Zappa

Label/ Verve Music Group

Lieder wie „Love Of My Life“. Lieder von der grossen Liebe, den Sternen im Himmel, die niemals lügen, pflegte Ruben Sano zu singen. 19 Jahre war er damals alt, und eines Tages verliess er die Band und sang nicht mehr. Bis er sich dann 10 Jahre später wieder daran erinnerte, die alten Rock-Titel ausgrub, dabei ein Foto wiederentdeckte und dieses Foto auf die Rückseite der Platte „Ruben & The Jets“ packte. Das Foto zeigt ihn als jungen Frank Zappa. Denn Zappa hat dieses merkwürdige Album mit seinen Mothers of Invention gemacht. Ruben Sano ist sozusagen das Alibi für die Erinnerung an die Rock-Schnulzen, von denen mancher Kritiker meinte, Zappa habe sie gemacht, um neues Geld zu scheffeln. Davon kann keine Rede sein; denn das Album verkaufte sich schlecht.

Das hat seinen Grund; denn die Mothers of Invention singen nicht nur von der grossen Liebe und dass sie jemanden zum Lieben brauchen, singen nicht nur banale Rock-Texte, sondern verfremden sie durch sehr einfache Ironisierung. Von den früheren komplizierten und aggressiven Collagen sind nur jene Einschübe geblieben, die das gerade Gehörte lächerlich machen. Die Stimme wird plötzlich zum Engelsstimmchen verzittert oder zum Opernvibrato gedehnt. In den monotonen Rhythmus spricht plötzlich eine Stimme, ein Laut hinein. „Crusing With Ruben & The Jets“ ist sehr wohl eine Hommage an die Musik von Zappas Jugend, doch nicht als nostalgische Rückkehr zur damaligen „Wirklichkeit“. In den Songs zeigt Zappa eine kritische Auseinandersetzung mit dem Doo-Wop-Genre, die sich sich mitunter auch als politische Agitprop versteht.

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Zappa/ Beefheart / Mothers, Bongo Fury, 1975

Produzent/ Frank Zappa

Label/ DiscReet Records

Zappa und Beefheart, zwei Schulfreunde und zwei legendäre Musiker, taten sich 1975 für eine zweimonatige USA-Tournee zusammen. „Bongo Fury“ beinhaltet einige am 20ten und 21ten Mai 1975 aufgenommene Live-Stücke. Drei Intros wurden bereits 1974 im Studio aufgezeichnet. Auch zwei Songs („Cucamonga“ und „200 Years Old“) scheinen dort entstanden zu sein.

Nach dem wegweisenden Album „Trout Mask Replica“, für das Zappa (als Produzent) und Beefheart verantwortlich zeichneten, zerstritten sich die beiden und gingen – bis zum vorliegenden Album – getrennte Wege. Der eine war ein allseits bekannter Perfektionist, der andere galt als extrem eigenwillig und unzuverlässig. Erneuter Streit war also vorprogrammiert, zumal Beefheart der nervende unsichere Faktor im perfekt einstudierten Liveprogramm von Zappa & The Mothers of Invention gewesen sein soll.

Beefheart sorgt auf diesem streckenweise bluesorientierten Album für einige unverwechselbar freakige Gesangseinsätze. Dieses vor allem in dem ausgezeichneten „Debra Kadabra“, das Blues mit zappaeskem Avantgarde-Theater verbindet. Beefheart spricht auf dieser Platte auch zwei seiner Gedichte: „Sam with the showing scalp flat top“ und „Man with the woman head“. An der musikalisch durchschnittlichen Countrynummer „Poofters Froth Wyoming Plans Ahead“ ist der von Beefheart vorgetragene Zappa-Text das einzig Interessante. Dieser Text zieht nämlich den damals anstehenden zweihundersten Geburtstag der USA durch den Kakao. Auch das bluesige „200 Years Old“ beschäftigt sich mit diesem Thema. Der Text von „Cucamonga“, einem verwinkelten Song mit comedyhaften Gospelgesängen ist nostalgisch geraten, Zappas Anfänge als Musiker betreffend.

Zappas Gitarrensolos gehören neben seinen unverwechelbaren Kompositionen, dem elfminütigen „Advance Romance“, „Dabra Cadabra“, „Carolina hard-core ecstasy“ und „Muffin man“ zu den herausragenden Momenten von „Bongo Fury“. Die meisten der obigen Stücke verwirklichen den Anspruch, gleichzeitig einprägsam, vertrackt und humorvoll zu sein.

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Frank Zappa, Joe’s Garage Act I, II & III, 1979

Produzent/ Frank Zappa

Label/ Barking Pumpkin Records

„Joes Garage“ erzählte die Geschichte des Gitarristen Joe, der in einer nicht allzufernen Zukunft in einer Gesellschaft, in der totales Musikverbot herrscht, gegen den allmächtigen Zensor und Big Brother, der bei Zappa „The Central Scrutinizer“ heisst, ankämpfte.

Das wunderbar paranoide Werk enthielt auch einige Titel, die den Zensor der Gegenwart am Schwanz packten. Keineswegs eingeschüchtert von den Protesten einer jüdischen Kulturorganisation gegen den Song von der „Jewish Princess“ auf „Sheik Yerbouti“ waren diesmal im ökumenischen Rundschlag die „Catholic Girls“ an der Reihe. Neben den Katholiken traf es auch die Scientologen, die Zappa in der Figur des L. Ron Hoover verspottete, der seine „Appliantology“ propagierte. Publikumslieblinge wurden freilich „Wet-T-Shirt-Night“ und „Why Does It Hurt When I Pee?“

Freunde und Mitmusiker wollen in diesen Jahren bemerkt haben, dass Zappas Witz gemeiner, verbiesteter geworden war. Schärfer und zielgenauer stimmt eher. Zappa war ohnehin nie unpolitisch gewesen. Er verachtete Politiker jeder Art und drückte sich lieber mit musikalischen Mitteln aus, war aber immer bereit, in gesellschaftlichen Fragen Stellung zu beziehen. „Joe’s Garage“ war alles andere als optimistisch und nahm in jeder Hinsicht totalitäre Tendenzen der aufziehenden Reagan-Ära vorweg.